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Den eigenen Wurzeln auf die Spur kommen
von Ulla Grans
Über Wurzeln und Flügel gibt es etliche Zitate von namhaften Dichtern und Denkern, wie Goethe oder Gibran. Es wird immer wieder über die Bedeutung von Wurzeln in Familien gesprochen. Es gibt Menschen, die sind sehr an ihrem Stammbaum interessiert und geben viel Geld für das Nachforschen der Ahnen aus. Viele Menschen treibt dann die Frage um, „Woher komme ich? Wer sind meine Vorfahren? Wo sind denn eigentlich meine Wurzeln?“.
Häufig wird das Interesse an den Ahnen während Übergängen oder bei kritischen Lebensereignissen, wie Geburt der eigenen Kinder, Todesfälle, Erwachsen werden, Berufsabschluss, Heirat, Krankheit, Renteneintritt geweckt. Übergänge sind meist Ereignisse im Leben, die das System ins Wanken bringen. Das macht unsicher und hilflos. Es wird oft mit „ich verliere gerade den Boden unter den Füßen“ beschrieben. Dann suchen wir nach Antworten auf unsere Fragen und nach Stabilität in unserem Umfeld.
© Pixabay/pexels.de
Schauen wir uns einmal in der Natur um.
Die Krone eines Baumes ist die Entsprechung seiner Wurzeln. Sind die Wurzeln stabil, fest verankert, wohl genährt, gepflegt ist auch die Krone groß und weit und ragt über unsere Köpfe hoch in den Himmel.
Wir kommen nicht als unbeschriebene, weiße Blätter auf die Welt. Wenn wir geboren werden, tragen wir bereits die Geschichten und Erlebnisse unserer Eltern, Großeltern, Urgroßeltern in uns. Sie sind uns nicht bewusst und wirken dennoch in uns wie ein Hall. Oftmals sind es Stimmungen, das nicht Gesagte, Empfindungen, Blicke, Gesten, die wir als Kinder nicht deuten können und die trotzdem in uns wirken.
Unsere Wurzeln sind uns oft nicht bewusst, denn sie sind ja da, seid wir uns erinnern können.
Wenn man jung ist, möchte man meist nichts wissen über die Vergangenheit. Im Gegenteil, man möchte sein eigenes Ding machen und möglichst ganz anders sein als die Eltern oder Großeltern. Häufig kommen wir im Laufe der Zeit immer wieder an ähnliche oder gleiche Lebensthemen. Sie scheinen uns zu „verfolgen“. Es gibt vielleicht eine Verwirrung, eine Stimmung bei Familientreffen, ein Thema, bei denen ein Elternteil immer ausweicht, ein Witz wird an Stellen gemacht, die eigentlich nicht lustig sind, um etwa über unbequeme Themen hinweg zu gehen.
Das sind die Momente, bei denen wir spüren "Achtung! Hier bitte nicht weiter graben."
Ich habe diese Verwirrung als Kind in mir immer dann gespürt, wenn es um Verwandtschaftsverhältnisse ging. Wer gehört zu wem? Wer stammt von wem ab? Welche Geschichten werden von welchen Vorfahren erzählt? Welche Geschichten gehören denn zu meinen Wurzeln?
In der Patchworkfamilie, in der ich aufwuchs, gab es aufgrund der Zusammensetzung verschiedene Erzählungen, die man sich an Feiertagen oder Familienfeiern erzählte. Ich konnte als Kind diese Anekdoten nicht zuordnen und wusste lange nicht, welche Anekdoten gehören denn jetzt zu mir.
Ist das mein Opa, der im 2. Weltkrieg Flieger war? Ist der Onkel, der im Keller Juden versteckt hatte, mein Onkel? Wie ist es denn mit der lustigen Tante? Bin ich auch so lustig wie sie? Was ist denn mit dem überlieferten Apfelkuchenrezept? Gehört das zu meinen Vorfahren? Ist der Cousin, den ich so toll fand, eigentlich mein Blutsverwandter? Oder könnte ich ihn gar später heiraten, wenn ich groß bin?
Mir war klar, dass ich all diese Fragen nicht stellen durfte. Ich habe das gespürt.
Heute ist mir deutlich, dass ich mit diesen Fragen, meine Familie bloß gestellt hätte und ihr Kartenhaus der heilen Rama-Familie recht schnell zusammengebrochen wäre. Denn es wurde viel dafür getan, als „normale“ Familie zu gelten. Patchwork war damals überhaupt noch nicht en vogue und gesellschaftlich als Lebensform höchsten geduldet, denn respektiert.
Ein Schlüsselerlebnis war für mich, als mein Stiefvater eines Tages einen Stammbaum an die Wand gehängt hat, den er in mühevoller Kleinarbeit, kalligraphisch wertvoll, aufgemalt hatte. Dieser Stammbaum hing nun an einer Wand im Flur. Ich ging daran vorbei, stutzte, sah mir die verschiedenen Verästelungen an und dachte: "Hier stimmt was nicht." Der Baum war so zurecht gestutzt und entsprach überhaupt nicht dem Bild, was ich von meiner Familie hatte und welches, meiner Meinung nach, auch realistisch war. Da wurden Äste weggelassen, da waren Zweige zugeordnet, die gar nicht dort gewachsen waren - kurz: der Stammbaum war dem Wunsch nach einer "heilen Familie" angepasst worden.
© Valeriia Miller/pexels.de
Je tiefer man gräbt, desto mehr man ins Erdreich vordringt, umso weniger zugänglich werden die Wurzeln. Dazu braucht es eine gewisse Anstrengung, um unter die erste Erdschicht zu gelangen.
Diese Verästelungen sind genauso in klassischen Familien zu finden. Ich mache sogar mehr und mehr mit meinen Klienten die Erfahrung, dass es hinter den klaren Fassaden oft noch schwieriger ist, den Schleier zu lüften, da dort die Ereignisse nicht so sehr an der Oberfläche liegen.
Und genau diese Momente lassen uns in der Regel nicht mehr los, sie kommen wieder, sie zeigen sich und wollen gesehen und gehört werden.
Je tiefer man gräbt, desto mehr man ins Erdreich vordringt, umso weniger zugänglich werden die Wurzeln. Dazu braucht es eine gewisse Anstrengung, um unter die erste Erdschicht zu gelangen.
Ich habe mit Auszug von zu Hause angefangen, mich auf die Suche zu begeben! Dazu habe ich die Menschen in meinem familiären Umfeld befragt, zu denen ich Vertrauen hatte. Ich habe immer wieder nachgefragt und mich nicht von dem Schleier, der über den Anekdoten lag, beirren lassen. So hat sich für mich nach und nach ein Bild gezeigt, was der Realität entsprach. Manche Antworten waren schmerzhaft, andere dafür umso leichter. Einige Gespräche waren sehr intensiv und emotional sehr nah.
So bin ich meinen Wurzeln mehr und mehr auf die Spur gekommen!
Mein Wurzel-Puzzle hat sich nach und nach zu einem Großen und Ganzen gefügt! Ich wusste plötzlich, woher ich komme und wo meine Wurzeln liegen!
Dieser Prozess ist so wichtig, um eine starke Identität mit festem Wurzelwerk zu bekommen. Ein Wurzelwerk, auf dem man gut stehen kann und was einen auch beim Sturm hält und nährt.
Manchmal muss man zurück, um seine Herkunft zu klären.
Das Zurück gehen hilft jedoch, um voller Hoffnung wieder nach vorne zu sehen!
Verschließen wir uns vor unseren Wurzeln, bleibt ein Stück von uns im Dunkeln zurück und lässt uns mit einem Bein in der Vergangenheit bleiben. Dann fällt es uns schwer, nach vorne zu blicken und beschwingt unseren Weg zu gehen. Wir brauchen die Wurzeln als Teil unserer emotionalen Sicherheit.
Man muss diese Fragen nicht mit einem konkreten Gegenüber klären. Das ist manchmal schwierig, weil einige Vorfahren vielleicht schon verstorben sind oder das Verhältnis ein gutes Gespräch nicht hergibt. Dann kann man diese Fragen auch auf anderem Weg klären, in dem man sich auf die Suche begibt, sich Dinge aufschreibt, recherchiert, Menschen fragt, die damals im näheren Umfeld der Familie waren, Dokumentationen aus dieser Zeit schaut, um die Zusammenhänge besser zu verstehen und um ein Gefühl für die damalige Zeit zu bekommen.
Ich habe dafür in mich investiert. Ich habe mir, an schwierigen Punkten in meinem Leben immer professionelle Begleitung gesucht und habe mich dort meinen Fragen und manchmal auch alten Damönen gestellt.
Es war und ist mein innerstes Bedürfnis, den menschlichen Beziehungen auf den Grund zu gehen, um ein Erfühlen und Verstehen von den eigenen Gefühlen zu erreichen und vor allem – und das ist das Wichtigste – in meiner Intuition und meiner inneren Stimme bestätigt zu werden.
„Siehste, das hab ich doch immer schon geahnt, gewusst, gespürt.“
Diese Erkenntnis ist der erste Schritt sich selbst wieder voll zu vertrauen und nach und nach wieder auf sicherem Boden mit guten, eigenen Wurzeln zu stehen.
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„Mir sind ehrliche und tiefe Beziehungen das wichtigste Anliegen in meinem Leben. Diese Beziehungen zu stärken, ist das Ziel meiner Arbeit.“
© fauxels/pexels.de
Gerade jetzt in der Osterzeit treffen wir uns (wenn möglich) mit unseren Familien, sitzen zusammen und reden. Wenn du dir nicht im Klaren über deine Wurzeln bist, wenn immer wieder Fragen in dir auftauchen, wenn es da ein Gefühl gibt, eine Unsicherheit, ein Schleier...dann mache dich auf deinen Weg!
Stell Fragen, sei interessiert, grabe vorsichtig die obere Erdschicht ab, schau was darunter liegt.
Wenn Du aber das Gefühl hast, dass dich das Graben überfordert und du nicht bereit bist und dein Herz dir sagt, das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, dann lass es.
Die Betrachtung der Wurzeln sollte in Frieden geschehen und im guten Kontakt mit uns selbst! Da gilt es nichts zu überstürzen, sondern gut auf sich aufzupassen. Das gerade Gehörte bei der Feier erstmal sacken zu lassen. Die eigenen Gefühle zu sortieren und gut auf sie zu hören!
Ich wünsche dir einen schönen Tag, wo immer du gerade bist und was immer du gerade tust! Vielleicht gehst du ja mal in den Wald und schaust dir die Bäume an und stellst dir die Wurzeln, die unter der Erde liegen vor und dann schau auf die große, weite Baumkrone, die in den Himmel ragt!
Alles Liebe, Deine Ulla
© Ulla Grans
Ich bin Ulla Grans, Coach und systemische Familien,- Einzel,- und Paarberaterin. Ich begleite Patchworkfrauen und Frauen in herausfordernden Familiensituationen auf ihrem Weg zu sich selbst. Meine Werte, die mich schon immer in meinem Leben begleiten sind „Familie“, „Veränderung“ und „Freiheit“. Ich selbst lebe nun in dritter Generation das Patchworkleben und kann sagen, dass ich darin Expertin bin. Ich habe meine private und berufliche Expertise zusammengeführt und arbeite seit 2019 selbstständig online und in eigener Praxis im Ruhrgebiet.
Ich bin Dipl.-Sozialarbeiterin, systemische Familienberaterin, habe vor vier Jahren meinen Master an der IPU Berlin absolviert, unterrichte als Dozentin an der Uni, und leite das Frauennetzwerk „Ruhrpreneurs“.
Direkt zur Homepage von Ulla Grans: www.ulla-grans-coaching.com
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