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Pranayama - Die Kraft des Absoluten, Teil 5



von Dr. Ralph Skuban

Diese Artikelserie haben wir Pranayama, das Herz des Yoga genannt, weil der Praxis des bewussten Atmens in den klassischen Texten des Yoga die größte Bedeutung beigemessen wird. Das Wort Prana steht – im umfänglichsten Sinne – für die Kraft des Absoluten, wenn man so will: für Gott selbst. Im konkretesten Sinne meint es einfach unseren Atem. Und eigentlich ist beides gar nicht verschieden, vielmehr ist das Kleine und Konkrete (hier: unser Atem) nur eine der unendlich vielen Ausdrucksformen des Großen, Absoluten. Diese Idee finden wir auch in der Bibel: Da ist es Gott selbst, der dem Menschen das Leben in seine Nasenöffnungen einhaucht. Gott, Atem, Leben, Seele – Quelle, Kosmos, ich und Du – alles ist Prana, alles ist pulsierender Atem.

Wenn Pranayama das Herz des Yoga ist, dann ist Kumbhaka, die Atemstille, das Herz des Pranayama: das Herz-Herz des Yoga sozusagen. Im Versiegen des Atems liegt das ultimative Ziel. Und die höchste Form dieses Versiegens ist Kevala, das heißt rein oder pur: das spontane Zur-Ruhe-Kommen der Atmung. Weil nichts uns so sehr in den Körper zwingt wie die Atmung, steht das Nicht-mehr-atmen-Müssen – und sei es auch ein Moment lang – für das Freisein vom Körper, für die Unsterblichkeit.

Machen wir einen großen Schritt zurück in jene Zeit, da Krishna seinen Schüler Arjuna lehrte, was es bedeutet, ein Krieger zu sein – ein spiritueller Krieger vor allem. Etwa 600 vor Christus wurde dieses Gespräch schriftlich festgehalten in der Bhagavad Gita. Auch dort hat Pranayama einen festen Platz und steht für die Idee des spirituellen Opfers oder, wie wir auch sagen könnten, für den Kreislauf des Gebens, wo das Eine für das Andere geht, ins andere hinübergeht, sich hingibt und zugleich aufs Neue daraus erwächst. Das ist Yoga, sagt Krishna zu seinem Schüler. Die Einatmung gibt sich der Ausatmung hin, die Ausatmung der Einatmung. Dazwischen: Stille.

Pranayama - Die Kraft des Absoluten, Teil 5
© Bodhio Foundation/pexels.de

Konkreter dann wird Pranayama in Patanjalis Yogasutra thematisiert, wahrscheinlich zwei- oder dreihundert Jahre nach Krishnas Unterweisungen (doch so genau wissen wir das nicht wirklich). Im ersten Kapitel erklärt Patanjali uns, dass Pranayama eine Möglichkeit ist, den Geist zu befrieden, mithin das große Ziel des Yoga zu erreichen. Und er sieht dort den Frieden im Atem vor allem in der Ausatmung. Und in der Stille, die ihr folgt (YS 1.34). Im zweiten Kapitel dann greift er das Thema erneut auf und definiert Pranayama als Viccheda, die Unterbrechung oder das Abschneiden von Einatmung und Ausatmung (YS 2.49).


Dr. Ralph Skuban: Patanjalis Yogasutra
© www.skuban.de
Ralph Skuban (Autor)

Patanjalis Yogasutra

Der Königsweg zu einem weisen Leben
Der wichtigste Grundlagentext spiritueller Weisheit

Die knapp 200 Verse des Yogasutra von Patanjali beschreiben in unvergleichlicher Dichte, Logik und Präzision den Entwicklungsweg unseres Bewusstseins, den man Yoga nennt. Dabei meint Yoga Weg und Ziel zugleich: als Ziel steht es für den Zustand der Selbstverwirklichung oder Erleuchtung, als Weg bezeichnet es die vielfältigen Methoden, die dorthin führen. In vier Kapiteln erfahren wir, wie wir innere Freiheit erlangen, wie unsere tägliche, spirituelle Praxis aussehen kann, welche inneren Übungen – Konzentration und Meditation – die Transformation unseres Bewusstseins bewirken und wie wir schließlich lernen, all das wieder lozulassen, um wirklich frei zu werden. Undogmatisch und ohne moralisch-religiöse Vorschriften zeigt uns das Yogasutra den Weg zur Befreiung von den Fesseln des Ego-Bewusstseins.

Der Begriff Viccheda kann auf zweierlei Weise gedeutet werden, eine Deutung ist enger, die andere weiter, und das zeigt auch auf unterschiedliche Facetten der Atemarbeit: Die eine Idee verweist auf das Unterbrechen der Atmung selbst, auf das Versiegen, sei es nun willentlich oder nicht, technisch ausgedrückt: auf die Pause zwischen Ein- und Ausatmung bzw. zwischen Aus- und Einatmung. (Sollte Viccheda Atempause meinen, wissen wir nicht, ob Patanjali von der Pause nach der Einatmung spricht, von der Pause nach der Ausatmung oder von beiden zugleich, mit anderen Worten: Wir können nicht wissen, wie Patanjali, wenn er Pranayama übte, seine Pausen setzte). So verstanden jedenfalls ist Viccheda das, was Jahrhunderte später im Hatha Yoga zum Kumbhaka werden sollte (ein Begriff übrigens, der sich im Yogasutra nicht findet): dem Atemanhalt nach der Einatmung mit Setzen der Bandhas: der Kulminationspunkt der klassischen Hatha-Praxis.

Weitet man die Deutung von Viccheda, kann das Abschneiden sich auch auf das rhythmische Fließen der natürlichen Atmung beziehen, darauf, eben diesen Fluss zu verändern, also zum Beispiel gezielt die Länge von Ein- und Ausatmung zu verändern, davon spricht Patanjali nämlich im nächsten Vers (YS 2.50): Um das Verfeinern und Verlängern der Atmung geht es ihm da. In dieser Deutung wird Pranayama zum Slow Breathing.

In dieser Deutung wird Pranayama zum Slow Breathing
© Vladimir Maliutin/pexels.de


Gehen wir noch ein wenig weiter entlang des Zeitstrahls hin zum Hatha Yoga, wie er uns zum Beispiel in Svatmaramas Hatha Pradipika (14. Jh.) oder der Shiva Samhita (17. Jh., Anonymus) begegnet: Yoga ist dort primär Pranayama. Und Meditation. Und irgendwie sind beide auch eins, denn ohne meditativen Geist, lässt man uns dort wissen, ist Atempraxis nicht möglich. Man versteht darunter sehr das gezielte Manipulieren der Atmung, ein bewusstes Spiel mit Verlängerung, Verlangsamung und, als Gipfelpunkt, mit dessen Ende: Pranayama ist im Hatha Yoga vor allem das Stoppen des ganzen Atemprozesses, das Hineingehen in die Stille des Nicht-mehr-Atmens und Zur-Ruhe-Kommens von Lebensenergie. Pranayama und Kumbhaka sind im Hatha Yoga synonym. Nichts will da mehr Fließen außer die Stille selbst. Damit verbindet sich die große Hoffnung, auf den Grund der Dinge selbst zu blicken, auf die Quelle, aus der der Atem kommt, das Leben, das Sein.


Pranayama Die heilsame Kraft des Atems
Ralph Skuban (Autor)
,
Patrick Broome (Vorwort)
Pranayama
Die heilsame Kraft des Atems
Die heilsame Kraft des Atems
Gebundenes Buch
Ralph Skuban widmet sich der Kunst des Pranayama, indem er die uralte Tradition in allen Einzelheiten darstellt und zugleich eine Brücke zur Yoga-Praxis des 21. Jahrhunderts schlägt. In einer Zeit, die von Hektik - und damit Kurzatmigkeit - geprägt ist, kommt der Beruhigung des Atems eine immense Bedeutung zu. Diese meisterhafte Studie stellt nicht nur eine brillante Abhandlung über die verschiedenen Atem-Übungen dar, sondern macht vor allem deutlich, welche segensreiche Wirkung die Beherrschung des Atems auf die Gesundheit ausübt.

Vor dem Hintergrund des Gesagten können wir das Ziel des Pranayama auch beschreiben, in dem wir sagen, worin es definitiv nicht besteht: dem starken, intensiven, lauten, harten, großen Atmen. Nirgendwo im Hatha Yoga, nicht in der Gita und schon gar nicht im Yogasutra findet sich auch nur ein einziger Hinweis darauf, dass die Idee des Pranayama darin bestehen würde, das Atmen zu verstärken. Immer geht es um das Gegenteil: Um die Langsamkeit. Das Feine. Das weiche Fließen. Die Stille. Das ist Pranayama. Und so sollten wir es üben.

Ich will diese kurze Einführung ins Herz des Pranayama mit einer sanften Praxis schließen, die alle thematisierten Ideen in sich vereint, und zwar auf einfache und sanfte Weise: Wir nehmen Einfluss auf die Länge von Ein- und Ausatmung und integrieren eine kurze Pause sowohl nach der Ein- wie auch nach der Ausatmung. Nennen wir diese Praxis die 4:4:6:2-Atmung:


Wenn Du Dich sehr wohl während und nach der Praxis fühlst, kannst Du nach und nach, von Woche zu Woche, die Phase der Stille etwas dehnen: Von 4:4:6:2 zu 4:6:6:2 und weiter zu 4:8:6:2. Das Wichtigste aber ist: Atme sanft.

Viel Freude mit dieser Praxis auf den Spuren der alten Yogis!

Euer Ralph


DR. RALPH SKUBAN

Dr. Ralph Skuban
© www.skuban.de
In der Philosophie des Ostens, in der Mystik überhaupt, fand RALPH SKUBAN die Tiefe des Suchens, um die es ihm geht; die Offenheit und Toleranz, die der institutionalisierten Religion zumeist fehlt, die Weisheit praktischer Psychologie – und dazu die Freude, eine tägliche Praxis in sein Leben zu integrieren. 

In den letzten Jahren begann RALPH SKUBAN Bücher zu schreiben und Seminare zu halten. "Östliche Philosophie ist keine trockene Theorie, sondern es geht ihr um die Frage nach einem guten Leben, nach Sinn und Tiefe, und vor allem um die Suche nach unserer spirituellen Essenz, dem inneren Licht, das eins ist mit dem Höchsten. Die Essenz der Upanischaden und aller mystischen Wege der Menschheit lautet: DAS bist du. Tat Tvam Asi."

Direkt zur Website von Dr. Ralph Skuban: www.skuban-akademie.de
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