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Pranayama - von der Atembeobachtung zu gezielten Erkundung und Weitung der Atemräume - Teil 3



von Dr. Ralph Skuban

Nachdem wir uns im ersten Beitrag dieser Serie auf den natürlichen Atem und die Atembeobachtung konzentriert haben, um uns im zweiten Teil der Erkundung verschiedener Atemräume zuzuwenden, möchte ich nun, darauf aufbauend, drei Atempraktiken vorstellen, die im Liegen oder Sitzen praktiziert werden können: Samavritti-, Viloma- und Dirgha-Pranayama.

Dies vorweg: Wir nennen diese Übungen hier zwar Pranayamas, genau genommen sind sie das aber nicht, jedenfalls nicht in einem klassischen Sinne. Diese Atempraktiken werden in den traditionellen Texten des Yoga nicht thematisiert, sondern es sind es moderne Formen des Atmens. Ihren Wert sehe ich darin, dass sie uns mit dem Atemprozess vertrauter machen und relativ leicht zu üben sind. So sind sie also eine Brücke hin zum eigentlichen Pranayama. Ihnen fehlt zudem in technischer Hinsicht, was ein Pranayama erst zum Pranayama macht, nämlich Kumbhaka, der Atemanhalt, zu dem die Anwendung der Bandhas gehört, jener inneren Aktionen, die den subtilen Fluss von Prana während der Atempause beeinflussen und schließlich zur Ruhe bringen wollen. (Wir werden uns dieser zentralen Teil der Pranayama-Idee im nächsten Teil dieser Serie zuwenden.)


Samavritti Pranayama

Samavritti heißt „gleichbleibende Aktivität“ oder „gleichmäßige Handlung“. Es ist eine Übung, die einfach durchzuführen ist und Anfängern wie Fortgeschrittenen gleichermaßen Freude macht – sehr gut auch geeignet, um damit eine Yogastunde zu beginnen. Der Atemprozess wird hier von einer Bewegung der Arme begleitet, die nicht nur die Atemräume dehnt und weitet, sondern auf natürliche Weise auch ein gleichmäßiges Fließen von Ein- und Ausatmung gewährleistet, sowohl was die Größe der Atemzüge anlangt, wie auch den Rhythmus des Atems: die Samavritti-Idee.

Samavritti Pranayama
© www.skuban-akademie.de

Samavritti – Vorbereitung: Wenn Du Samavritti im Liegen üben möchtest, ist es gut, die Beine aufzustellen, um den unteren Rücken zu entlasten. Ein Yogagurt – nicht zu fest, nicht zu locker oberhalb der Knie fixiert – hilft Dir, in Beinen und Becken loszulassen. Die Arme liegen ausgestreckt neben dem Körper. Nimm Dir vor Beginn der Atempraxis ausreichend Zeit, Deinen Körper wahrzunehmen, entspanne Dich bewusst. Ein Body-Scan ist hier hilfreich.

Samavritti - Vorbereitung
© www.skuban-akademie.de
Wenn Du Samavritti im Liegen üben möchtest, ist es gut, die Beine aufzustellen
© www.skuban-akademie.de

Samavritti – Atem in Bewegung: Beginne nun, achtsam einzuatmen. Über die Phase der Einatmung hinweg hebe die gestreckten Arme und führe sie in einem Bogen über den Kopf nach hinten, so dass sie zum Ende der Einatmung hin auf dem Boden zum Liegen kommen. Mit der Ausatmung führe die Arme wieder zurück, bis Du gegen Ende der Ausatmung in der Ausgangshaltung bist.

Lass Deinen Atem bei dieser Praxis frei fließen und mache Dir keine Gedanken darüber, in welche Atemräume er fließen soll – Atmung und Bewegung werden sich natürlich fügen. Du wirst feststellen, dass der größte Teil des Atemvolumens von selbst in den Brustraum fließt: Der Atem – oder Prana, die Energie der Atmung – hat nämlich die Neigung, in den Bereich hineinzuströmen, wo gerade die Dehnung geschieht, das nennt man den Dehnreflex der Atmung.

Weil wir gerade beim Dehnreflex sind: Wenn Du gerne Asanas übst und Dich mit Vorwärtsbeugen wohlfühlst, versuche doch mal, eine Vorwärtsbeuge nicht nur mit der Ausatmung zu kombinieren, wie das meist praktiziert wird, sondern mit der Einatmung. In der Vorwärtsbeuge wird die Rückseite gedehnt. Es kann ein befriedigendes Gefühl sein, mit der Einatmung in diese Rückendehnung hinein zu gehen. Das gibt dem Oberkörper Stabilität bei der Bewegung nach unten. Vielleicht magst Du in der Bewegung sogar den Atem etwas anhalten – auf diese Weise üben Tibeter ihren Yoga: Jede Bewegung erfolgt im Atemanhalt.


Samavritti - Atem in Bewegung
© www.skuban-akademie.de

Den Atemprozess intensivieren: Wenn Du die Dehnerfahrung in Samavritti am Ende der Einatmung noch verstärken möchtest, kannst Du das auf folgende Weise tun: Atme ein und führe die Arme in einer gleichmäßigen Bogenbewegung über den Kopf nach hinten. Gegen Ende der Einatmung greife mit der Hand das andere Handgelenk und ziehe sanft daran – das schafft noch mehr Weite, dehnt die Flanke und Achselhöhle – es ist fast so, also würde man in die linke Schulter hinein atmen können. Wie weit will Dein Atem gehen? Gib Dir nach jeder Ein- und Ausatmung Zeit: Wann will der nächste Atemzug kommen?


Ein Rat zur Vorsicht: In welcher Variante Du auch Samavritti übst, übertreibe es bitte nicht! 6 bis 10 solcher Atemzüge genügen, danach ist es wichtig, zu entspannen und nachzuspüren. Lass Deine Atmung wieder ruhig und sanft werden. Was macht das Atmen mit mir? Wie fühle ich mich gerade? Diese Praxis unterstützt große Atemzüge. Ist man dabei unachtsam, kann das Atmen müde machen, Hustenreize oder ein Gefühl von Kurzatmigkeit auslösen, eventuell auch Schwindel. All das hat mit dem großen Luftvolumen zu tun, das wir in dieser Praxis bewegen. Wenn Du während des Übens also merkst, dass Weniger im Moment Mehr wäre, dann folge diesem Impuls. Mache jederzeit eine Pause, wenn Dir danach ist. Menschen mit Asthma, Bronchitis, COPD oder einer Neigung zu Panik-Attacken sollten Samavritti (und auch die nachfolgenden Übungen) eher nicht üben, sondern stattdessen sanft atmen und ihren Atem meditativ beobachten. Dasselbe gilt für Schwangere. Sei immer aufmerksam in der Selbstbeobachtung. Die alten Yogis sagten nicht umsonst, dass der Atem so viel Geduld und Vorsicht braucht, wie wilde Tiere, sonst bekommt uns das Üben nicht. Ganz generell gilt: Wenn Du Dich nach einer Praxis erschöpft fühlst, bist Du zu weit gegangen und hast Energie verloren. Genau das wollen wir nicht!


Pranayama Die heilsame Kraft des Atems
Ralph Skuban (Autor)
,
Patrick Broome (Vorwort)
Pranayama
Die heilsame Kraft des Atems
Die heilsame Kraft des Atems
Gebundenes Buch
Ralph Skuban widmet sich der Kunst des Pranayama, indem er die uralte Tradition in allen Einzelheiten darstellt und zugleich eine Brücke zur Yoga-Praxis des 21. Jahrhunderts schlägt. In einer Zeit, die von Hektik - und damit Kurzatmigkeit - geprägt ist, kommt der Beruhigung des Atems eine immense Bedeutung zu. Diese meisterhafte Studie stellt nicht nur eine brillante Abhandlung über die verschiedenen Atem-Übungen dar, sondern macht vor allem deutlich, welche segensreiche Wirkung die Beherrschung des Atems auf die Gesundheit ausübt.


Viloma- und Dirgha-Pranayama

Wenn Du den letzten Teil dieser Serie über die Erkundung und Weitung der Atemräume gelesen hast, sind Viloma und Dirgha nur eine logische Fortsetzung. Da sie – mehr noch als das Samavritti-Pranayama – große Luftvolumina bewegen, die unter Umständen die gesamte Vitalkapazität ausschöpfen, gelten auch hier die eben besprochenen Hinweise zur Vorsicht und Achtsamkeit. Viloma und Dirgha können, wie Samavritti auch, im Liegen oder Sitzen geübt werden.


Viloma-Pranayama

Viloma heißt so viel wie „gegen den Strich“. Technisch gesehen ist es eine Vollatmung mit Unterbrechungen: Wir füllen unser „Atemgefäß“ schrittweise von unten nach oben auf. (Damit keine Verwirrung entsteht: Manche Traditionen benutzen den Begriff Viloma auch als ein Synonym für Nadi Shodana, die Nasenwechselatmung. Lass Dich davon bitte nicht verwirren, unterschiedliche Begriffsverwendungen sind im Yoga nichts Ungewöhnliches.)

Im Sitzen oder Liegen atme ein und lasse den Atem zuerst in den unteren Atemraum (Bauchraum) fließen. Wenn der Bauchraum in einer angenehmen Weitung ist, unterbreche einen kurzen Moment die Einatmung – 2 bis 3 Sekunden genügen. Dann atme weiter ein, die seitlichen unteren Rippenbögen weiten sich, Du füllst den mittleren Atemraum. Mache wieder eine kurze Pause. In einem dritten Schritt nun weite auch den oberen Atemraum. Sei achtsam, spüre genau hin. Wie weit willst Du auch diesen sensiblen Bereich füllen? Dann wieder eine kurze Pause. Bleib solange in der Fülle, wie Du Dich wohl fühlst – es ist ganz natürlich, den Atem auch mal einen Moment anzuhalten. Genieße diesen Moment. Schließlich lass den Atem passiv aus Dir herausfließen und spüre nach. Wenn Dir danach ist, schließe noch ein paar weitere Viloma-Atemzüge an. 5 sind meistens schon genug. Lasse danach Deinen Atem wieder in Ruhe und Sanftheit zurückfinden. Nimm Dir Zeit!


Dirgha-Pranayama

Dirgha nun ist die konsequente Fortsetzung von Viloma. Dirgha heißt wörtlich lang. Man nennt es auch yogische Atmung, Vollatmung oder ozeanische Atmung. Das Wort lang jedenfalls sagt präzise aus, worum es in dieser Übung geht: Wir machen lange, fließende Atemzüge und gehen achtsam ganz in die Fülle:

Atme ein. Weite zunächst den unteren Atemraum. Lass die Einatmung weiter fließen, bis sich die seitlichen Rippen angenehm gedehnt anfühlen. Immer weiter fließt – in einer einzigen, langen Welle – Dein Atem und füllt schließlich auch den oberen Raum. Dirgha ist Viloma, nur ohne Unterbrechung. Von unten nach oben füllst Du Dein Atemgefäß in einer einzigen langsamen Einatmung. Kurz halten. Etwas länger, wenn Du das genießen kannst. Dann gib den Atem wieder frei. Lass ihn sanft und passiv aus Dir herausfließen, die Atemwelle zieht sich zurück. Stelle Dir vor, Du sitzt am Strand und beobachtest das Anbranden und Sich-Zurückziehen der Wellen. Ozeanische Atmung. Dann spüre nach. Nur wenige solcher Atemzüge genügen. Folge Deinem Spüren.

Ein Wort noch zum Schluss: Samavritti, Viloma und Dirgha sind Möglichkeiten, den Atem intensiv zu erfahren und bewusste Bekanntschaft mit ihm in der Fülle zu machen. Sie sind aber nicht als eine tägliche Atem-Praxis gedacht. Das Pranayama im eigentlichen Sinne sucht nicht so sehr das Viel und die Fülle, sondern will den Atem weniger, sanfter, subtiler werden lassen … bis er schließlich im Kumbhaka gänzlich versiegt … Momente totaler energetischer Stille. Dazu mehr im nächsten Beitrag!

Viel Freude beim Atmen, Euer Ralph



DR. RALPH SKUBAN

Dr. Ralph Skuban
© www.skuban.de
In der Philosophie des Ostens, in der Mystik überhaupt, fand RALPH SKUBAN die Tiefe des Suchens, um die es ihm geht; die Offenheit und Toleranz, die der institutionalisierten Religion zumeist fehlt, die Weisheit praktischer Psychologie – und dazu die Freude, eine tägliche Praxis in sein Leben zu integrieren. 

In den letzten Jahren begann RALPH SKUBAN Bücher zu schreiben und Seminare zu halten. "Östliche Philosophie ist keine trockene Theorie, sondern es geht ihr um die Frage nach einem guten Leben, nach Sinn und Tiefe, und vor allem um die Suche nach unserer spirituellen Essenz, dem inneren Licht, das eins ist mit dem Höchsten. Die Essenz der Upanischaden und aller mystischen Wege der Menschheit lautet: DAS bist du. Tat Tvam Asi."

Direkt zur Website von Dr. Ralph Skuban: www.skuban-akademie.de


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