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S e l b s t l i e b e… oder wie nennt man das, wenn man sich nicht mehr ständig selbst bekämpft?


von Chris Gust

Um mal von vornherein mit einem sich hartnäckig haltendem Missverständnis aufzuräumen: sich selbst zu lieben bedeutet nicht, dass du alles an dir großartig findest, sondern dass du dich so bedingungslos annimmst, wie du es bei einem Menschen, den du liebst oder der dir sehr viel bedeutet, auch ganz selbstverständlich tust.

Gesunde Selbstliebe ist auch nicht egoistisch. Im Gegenteil, jemand, der sich selbst annehmen kann, somit eine in sich ruhende Haltung hat, strahlt genau das auch aus und diese Ruhe überträgt sich sogar spürbar auf andere.

Dennoch ist Selbstliebe gerade für Menschen mit psychischen Erkrankungen ein unglaublich schwieriges Thema. Wenn man für sich selbst der ärgste Kritiker ist, ist nichts, was man erreicht oder meistert, gut genug. Schließlich zeigt sich immer in dem Moment, in dem man etwas schafft, dass es dann ja „nichts Besonderes“ war, im Gegenteil, man hätte ja versagt, wenn es nicht geklappt hätte.

Mein Weg zur Selbstliebe war besonders in der Zeit meiner Angst, ein sehr, sehr holpriger. Es sind viele kleine Puzzleteile, die uns verletzen, erschüttern oder verunsichern können,…


S e l b s t l i e b e… oder wie nennt man das, wenn man sich nicht mehr ständig selbst bekämpft?
© cottonbro/pexels.de

…wenn man schon als Grundschulkind bei der Schuluntersuchung von einer Ärztin gesagt bekommt, man hätte ein „gebärfreudiges Becken“, wo man doch eigentlich so schlank sein möchte, wie die anderen Mädchen und die weiblichen Rundungen noch nicht zu schätzen weiß.

…wenn man als Teenie nicht übersetzt, dass durch den täglichen Leistungssport nun mal die Muskeln stärker ausgeprägt sind und knallhartes Hungern nicht den erwünschten Effekt hat. Im Gegenteil, irgendwann im Schwimmbad zusammenzuklappen lehrte mich nur, dass das Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben und nichts dagegen tun zu können, als mein Körper „versagte“ ein ganz Fürchterliches war. Das sind nur zwei Erlebnisse von vielen, die sich einbrannten und die ich somit „falsch abspeicherte“.

In Wirklichkeit hat mein Körper mich nämlich bis jetzt nie im Stich gelassen, ich habe ihn damals so gequält, bis ein Arzt sagte, wenn ich so weiterhungern würde, könnte mein Körper das maximal ein paar Monate noch, dann wäre Schluss. Über Monate blieb meine Regel aus, weil dafür gar keine Kapazitäten mehr da waren. Ich bin ehrlich: Selbstliebe geht anders. Mühsam musste ich daran arbeiten, wieder Stück für Stück mehr zu essen und fand mich Zeit meines Lebens dennoch zu dick.

In wirklich herausfordernden Situationen in meinem Leben, habe ich mich zum Glück dennoch kompromisslos auf mich selbst verlassen, aber es wurde auch immer wieder an meinem Selbstbewusstsein gerüttelt:

Denn hinzu kamen Partner, die mir das Gefühl gaben, nicht genug zu sein – es machte viel mit mir, dass zum Beispiel einer meiner Ex-Partner monatlich 4-stellige (!) Summen bei 0190-er Nummern auf meine Kosten vertelefonierte (der Vertrag lief auf meinen Namen), Pornobildchen mit sich herumtrug und auch sonst kein „Kind von Traurigkeit war“, obwohl wir zusammenlebten. Damals wusste ich noch nicht, dass es toxische Beziehungen gibt. Heute weiß ich: die machen es nun wirklich nicht einfacher sich selbst anzunehmen. Wenn der Mensch, den man liebt, einem beispielsweise durch Verhalten wie eben genannt ständig das Gefühl vermittelt, nicht sexy oder gut genug zu sein, ist es sogar fast ein Ding der Unmöglichkeit.

 In wirklich herausfordernden Situationen in meinem Leben, habe ich mich zum Glück dennoch kompromisslos auf mich selbst verlassen
© Liza Summer/pexels.de


Erst auf meinem Weg aus der Angst, als ich endlich so vieles verstand und mich daran machte, alte Wunden zu heilen und falsche Glaubenssätze liebevoll zu korrigieren, lernte ich auch meinen Körper lieben.

Selbstliebe hat freilich nicht nur etwas mit unserem Körper zu tun, aber für mich war es ein sehr wichtiger Teil, mich endlich wirklich so zu sehen, wie ich wirklich bin. Es können deshalb gar nicht genug über bodypositivity reden, denn gerade in Bezug auf Angststörungen, geht vieles, rückblickend betrachtet, ineinander über, bereits mein Hungern war ein Hilferuf.

Unsere Kinder sollten mit der wundervollen Vielfalt und Akzeptanz der unterschiedlichsten Körper aufwachsen, anstatt sich über bestimmte Maße zu definieren.



Frauen müssen rechtzeitig beigebracht bekommen, dass sie nicht schuld sind, wenn sie mies behandelt werden, nur weil sie sexy gekleidet waren
© cottonbro/pexels.de


Und wie habe ich das nun „geschafft“?

Wenn man sich aus einem Teufelskreis wie Angst & Panik befreit, macht man fast automatisch die Begegnung mit Themen, wie: „das innere Kind heilen“, Achtsamkeit, Selbstfürsorge und so weiter. All das und noch vieles mehr half mir, mit der Zeit ein viel wohlwollenderes Bild von mir selbst zu bekommen. Mir selbst beizustehen, für mich einzustehen und die „alten“ Daten meiner internen Festplatte mal mit einer realistischeren Version zu aktualisieren. Endlich durfte ich lernen und erkennen, …


Gerade mit „dem inneren Kind“ hatte ich lange Zeit riesige Probleme: das war für mich irgendwie doch zu „spooky“ und ging mir zu sehr in eine esoterische Richtung. Damals dachte ich ja auch noch, mit mir stimmt was nicht. Weil ich aber immer wieder auf dieses Thema stieß, habe ich mir irgendwann einfach vorgestellt, wie ich mit meinen Kindern umgehe, wenn ihnen etwas bevor steht, bzw. wie liebevoll ich mit ihnen umgegangen bin, vor allem als sie noch klein waren und die ersten Ängste kennenlernten.


Chris Gust: Wie Du Deiner Angst den Schrecken nimmst
© www.soulcarecoachin.de

Mit ihnen habe ich nicht geschimpft, wenn sie nicht im Dunkeln schlafen wollten, sondern ihnen liebevoll geholfen zu erkennen, dass alles in Ordnung ist. Auch in allen anderen Angstsituationen habe ich ihnen Selbstbewusstsein und Vertrauen eingeflößt. Nur mir selbst gestand ich das niemals zu und war gnadenlos: forderte und forderte und setzte mich immer mehr unter Druck.

Das Bewusstsein über mein Verhalten, meinen Kindern gegenüber ebnete mir irgendwie den Weg zu mir selbst und erleichterte mir den Zugang zu dem Gedanken, dass ein Teil von mir noch in Situationen oder Prägungen von früher „feststecken“ könnte und es mir helfen kann, diese zumindest zu erkennen. Und nachdem ich sie erkannt habe, mich verdammt noch mal einfach selbst gedanklich in den Arm zu nehmen und zu beschützen.

Nach und nach verstand ich dann, wie die ganzen Zusammenhänge sind und dass meine Angst der Botschafter meiner Seele ist.

Außerdem habe ich mit Affirmationen gearbeitet und damit gleich an doppelter Stelle etwas erreicht. Von unterschiedlichsten kostenlosen Hörspielen auf gut zugänglichen Internetseiten inspiriert, habe ich mir das rausgepickt, was sich für mich gut anfühlt. Ich habe mir 30 Sätze aufgeschrieben wie: Ich akzeptiere mich so wie ich bin. Ich bin es wert geliebt zu werden. Ich darf glücklich sein. usw.-

Suche dir Sätze aus, von denen dein Verstand weiß, dass sie richtig sind, auch wenn du durch dein noch mangelndes Selbstwertgefühl Schwierigkeiten damit hast, diese Dinge über dich zu sagen. Sie werden sich schon bald gut für dich anfühlen, je mehr du dich annehmen kannst! Es hat einige Zeit gedauert, bis ich sie wirklich auswendig konnte, aber ich schiebe das immer noch auf die Stillzeit... Nee, im Ernst, irgendwann konnte ich sie auswendig und begann mit einem neuen Abendritual im Bett:

Im ersten „Durchgang“ sage ich mir alle Sätze gedanklich mit meiner Stimme hintereinander auf, als würde ich sie einfach ablesen. Anschließend folgte noch ein Durchgang, in dem ich mir jeden einzelnen Satz in drei Varianten „aufsagte“ oder „vorstellte“:


1. mit normaler Betonung „gesprochen“, als würde ich den Satz gerade ablesen.



2. stellte ich mir vor, wie ich diesen Satz schreibe: wie fühlt sich der Stift in meiner Hand an?

Wie ist der Druck aufs Papier? Welchen Schwung macht meine Hand? Wie sieht er fertig geschrieben aus? (Sozusagen erweitertes Achtsamkeitstraining, was übrigens Teil meiner Lebenshaltung geworden ist.)


3. flüsterte ich mir den Satz zu.

Diese drei Varianten mit allen 30 Sätzen haben sich zusätzlich innerhalb kürzester Zeit als „Schlafmittel“ erwiesen, denn anstatt wie sonst beim zur Ruhe kommen, noch mal anspannungstechnisch richtig hochzufahren, hatte mein Kopf nun etwas Sinnvolles zu tun. Deshalb habe ich damit auch nicht mehr aufgehört- es ist ein liebgewonnenes Ritual geworden und für mich eine wundervolle Turbo-Einschlafhilfe. offensichtlich hat Mein Verstand hat damit offensichtlich so dermaßen die absolute Langeweile bzw. das „kenne-ich-ist-alles-safe“-Gefühl verknüpft, dass ich inzwischen selten auch nur einen einzigen Durchgang ganz schaffe, bevor ich einschlafe.

Aber genug ausgeschweift, natürlich hatten diese Sätze vor allem den Sinn, mich selbst anders anzunehmen und wie mit allem, bei dem man immer weiter übt, trägt das Ganze auch irgendwann Früchte.

Das gilt für alle Lebensbereiche. Dein Lachen, deine Zähne, dein Humor, deine Meinung, dein Lieblingsessen, Berufswahl, Hobbies, Musikgeschmack, deine Vorlieben beim Sex – whatever - du, in der echtesten Version von dir selbst, bist absolut liebenswert!

Das Fazit meiner Selbstliebereise ist, dass man erlernen kann, sich selbst (wieder) anders zu sehen. Für mich war es das Gesamtpaket meiner Erkenntnisse und meines Übens, was mir dann den Weg zeigte. All das Wissen gebe ich heute in meinen Büchern/Posts/Artikeln und als soul.care.coachin weiter. Wenn du dir auf deinem Weg Hilfe wünschst, kontaktiere mich also gern.

Ich schreibe diese Zeilen übrigens mit einem breiten Lächeln im Gesicht und einem warmen und friedlichen Gefühl in mir.

Befreit. Stolz. Offen. Voller Leidenschaft fürs Leben.

Würde ich ein Krönchen tragen, es würde sicher sitzen…

♡ with love. always. ♡

C H R I S


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Think global, buy local.

„Wie du deiner Angst den Schrecken nimmst“ ist erschienen im MAIN Verlag, Antheum Spirit 

ISBN: 978-3-95949-444-1



Chris Gust
© Chris Gust
Chris Gust ist soul.care.coachin, freie Künstlerin, Autorin, Gründerin und Vorsitzende des Telefondienstes „Mutruf“ – einander Halt geben e.V., mental health Aktivistin, Vollherzmama3 und in erster Linie immer Mensch. Sie lebt und arbeitet im nördlichen Speckmantel von Hamburg, weil sie die Natur und Ruhe zum Atmen und Arbeiten ebenso braucht, wie die Möglichkeiten in und die Nähe zur Stadt. 

Als soul.care.coachin begleitet sie wundervolle Menschen, die sich irgendwo zwischen all den Anforderungen unseres Lebens selbst (aus den Augen) verloren haben, aber ganz deutlich spüren, dass es da noch so viel mehr gibt.

Mit allem was sie tut setzt sie sich aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen dafür ein, dass sich in der Gesellschaft etwas an der Tabuisierung von Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen bewegt.

Weitere Infos:www.soulcarecoachin.de

Instagram: chris_gust
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