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Worauf es im Leben wirklich ankommt
Bei so vielen von uns ähnelt der Lebensweg einer nachlässig auf den Tisch geworfenen Halskette: Geradeaus, ein Schlenker nach links, eine Schleife zurück, Kurs nach rechts. Eine stringente Linie, an der man sich orientieren könnte? Fehlanzeige. Doch zwischen all diesen Verlockungen und Verpflichtungen existiert eine tieferliegende Linie. Die, auf der sich die Sachen befinden, auf die es wirklich ankommt
von Benjamin Spielmann
Worauf kommt es im Leben wirklich an? Das ist eine nachgerade historische Frage, denn mit der Suche nach dem Sinn setzten sich seit dem Altertum unzählige Gelehrte auseinander. Für religiöse Menschen ist die Antwort meistens einfach, die meisten Religionen geben nicht nur einen Sinn vor, sondern auch einen Kodex, an dem man sich orientieren kann. Konfessionslose, Atheisten, Agnostiker und alle anderen, welche nicht in dieses Schema passen, haben dagegen das Nachsehen. Kommt es auf irgendeinen Schönheits-Mythos an, dem man nachjagen sollte? Eher nicht, das wäre allzu oberflächlich. Geht es darum, immer für andere da zu sein? Schon eher, wenngleich auch dabei die Gefahr besteht, sich selbst zu vergessen.

© Mikhail Nilov/pexels.com
1. Sei kein Arsch
Im deutschen Sprachraum ist der Arsch ein universell verwendeter, deshalb aber auch nicht gerade präziser Begriff – übrigens auch sprachwissenschaftlich interessant, weil die deutsche Vulgärsprache analfixiert ist, während sie in anderen Sprachen sexuell ist. Doch was stellen wir uns eigentlich unter einem Arsch vor? Die meisten wohl jemanden, der sich rüpelhaft verhält, unfreundlich ist, ausnutzt, rumnörgelt, eben einfach „ein Arsch“.
Dieser Punkt ist vielleicht der bedeutsamste all meiner Leitsätze: Sei kein Arsch. Er ist deshalb so, weil er für jeden von uns eine etwas andere Bedeutung haben kann. Seien wir deshalb einfach niemals das, was wir für uns selbst als Arsch definieren. Bei mir ist das übrigens ein ehemaliger Klassenkamerad, der meine Ansicht darüber, was ich garantiert niemals sein will, bis zum heutigen Tage prägt.

© johnhain/pixabay.com
2. Sei gut, aber verbrenn dich nicht
In fast allen Religionen ist es zentraler Bestandteil, dass man für andere da sein sollte. Ja, und das unterstreiche ich auch vollumfänglich. Denn schon, um die erste Regel nicht zu verletzen, muss man ab und zu mal seine Ich-Zentriertheit ablegen und den Egoisten, der in jedem von uns wohnt, beiseiteschieben.
Allerdings ergänze ich für mich diesen Passus um eine weitere Satzhälfte: aber verbrenn dich nicht. Es gibt Menschen, die leben nur für andere. Eine alleinerziehende Mutter, bei der jede Handlung nur dazu dient, den Kindern Gutes zu tun. Ein Mensch, der jede freie Minute anderen hilft. Hier beim Gartenteichbau, da beim Umzug.
Natürlich, ein derart selbstloses Verhalten ist für einige eine zutiefst erfüllende Handlung. Doch wer immer nur gibt, kümmert sich niemals um sich selbst. Für die meisten Charaktere reicht das nicht aus. Nein, das ist kein Plädoyer für Egoismus, vielmehr dafür, Geben und Nehmen immer in Balance zu halten. Auch, weil in unserer heutigen Gesellschaft zu viel Gebebereitschaft den Egoismus anderer eher noch fördert.
3. Suche Glück im Glücklichsein
Glück und Glücklichsein: in vielen Köpfen dürften das zwei Begriffe sein, die Unterschiedliches meinen und doch auf komplizierte Art gleichbedeutend sind. Tatsache aber ist: Glück kann man nicht messen, aber man kann es trainieren und darüber Glücklichsein erzeugen.

© Alexas_Fotos/pixabay.com
4. Repariere öfters mal was
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Natürlich vor allem aus Konsumsicht. Kaputter Fernseher? Weg damit, Ersatzteile gibt’s eh keine. Ja, aber diese Wegwerfgesellschaft hat sich auch auf unsere zwischenmenschliche Ebene ausgeweitet: Mit dem Partner kriselt es einige Monate. Wie schnell steht man dann heute vor dem Scheidungsrichter? Der eigentlich gute Freund geht neuerdings ein bisschen eigene Wege. Ist man da nicht versucht, ihn beiseitezuschieben?
Diese Regel gilt sowohl für Geräte des Alltags wie in zwischenmenschlicher Hinsicht: Werfen wir nicht alles sofort weg, nur weil es nicht mehr so funktioniert wie damals, als es brandneu war. Vielleicht kann man nicht immer alles „wie neu“ reparieren. Aber muss man das überhaupt? Reicht es nicht manchmal auch, ein Blech über das Leck im Rumpf zu schweißen, den gerissenen Keilriemen mit einer Strumpfhose zu ersetzen, eine „Gut-Genug-Reparatur“ zu machen? Gerade im Zwischenmenschlichen gibt es so viele Reparaturmöglichkeiten. Man muss nur gewillt sein, sie zu ergreifen, statt gleich wegzuwerfen.
5. Fahr mal den Puls ´runter
In meinen wilden Jugendjahren hatte ich einen Kommilitonen. Wann immer jemand, der sich gerade über etwas aufregte, damit zu ihm kam, lautete seine Antwort grundsätzlich „Ey, fahr mal’n Puls ´runter“. Was in der emotionalen Lage seines Gegenübers zwar selten half, aber sein schelmisches Gemüt befeuerte, wurde mir im Lauf der Jahre zu einer wichtigen Anweisung: Fahr mal den Puls ´runter, reg dich nicht so auf.

© Timur Weber/pexels.com
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Mein Sohn, der eigentlich selten zu Jugendvokabular tendiert, brachte mir im Sommer eine Tupperdose voller Kirschen aus seinem Garten. „Hier, Papa, gönn dir“, sagte er und brachte mich dazu, diesen Spruch, den mein Deutsch-unterrichtender Filius sicher nicht versehentlich verwendete, zu googeln. Siehe da, ein relativ frisches Mitglied der deutschen Jugendsprache.
Tatsächlich passt er als enorm griffiger Begriff für das, was ich mit diesem Punkt aussagen will, aber was ich bislang mit dem sperrigen „gönn dir ab und zu mal etwas“ nie so wirklich zu meiner sprachlichen Befriedigung ausdrücken konnte. Ja, Konsumterror ist etwas Schlechtes. Und kein Mensch wird glücklich dadurch, dass er sich einen Haufen Zeugs kauft, das er nicht braucht.
Aber: Ab und zu ist wirklich mal gönn dir angesagt. Etwas, das man sich wirklich „gönnt“ im wortwörtlichen Sinne, weil man sonst aus irgendwelchen Gründen selten dazu kommt. Auch hier ist das, was man sich gönnen soll, für jeden verschieden. Aber ich bin sicher, wir alle finden etwas, das wir uns, warum auch immer, normalerweise verkneifen. Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt dafür, also, gönn dir und genieße.
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