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Ruhrfestspiele: Lars Eidinger als Peer Gynt in Taten-Drang-Drama


von Annette Maria Böhm

Meine Vorfreude wächst:  Zum 75. Geburtstag der Recklinghäuser Ruhrfestspiele, einem der ältesten, renommiertesten und wichtigsten Theater-Festivals Europas, sind endlich wieder Aufführungen vor leibhaftig anwesendem Publikum möglich geworden.

Durch die stark gesunkenen Corona-Infektionszahlen und strengen Hygienekonzepte kann auch ich nun wieder einmal Theaterluft schnuppern! Im Festspielhaus mit seinen rund 1000 Plätzen sind derzeit bis zu 250 Besucher zugelassen. "Wir freuen uns auf die zweite Hälfte des Festivals und die Live-Begegnung", hatte Intendant Olaf Kröck im Vorfeld erklärt. Die am 1. Mai eröffneten Festspiele waren wegen der Pandemie bisher nur digital über die Bühne gegangen.


Ruhrfestspielhaus - Ruhrfestspiele: Lars Eidinger als Peer Gynt in Taten-Drang-Drama
© Maria Koltschin


Peer Gynt nach Henrik Ibsen - Ein Taten-Drang-Drama von John Bock und Lars Eidinger

Hatte die Vorstellung eigentlich schon damit begonnen, als die Mitarbeiterin der Ruhrfestspiele mit dem Mikrofon die Bühne betrat? Denn offensichtlich gab es keinen Unfall! Lars Eidingers Finger ist heil ...aber als "schlimmer Finger" verbreitet er ab jetzt jede Menge Lug und Trug.

Schließlich steht "Peer Gynt" auf dem Ruhrfestspiel-Programm. Es geht um jenen verlorenen Sohn, dem seine Mutter Aase schon mit der ersten Zeile ein unmissverständliches "Du lügst!" entgegenschleudert!

Lars Eidingers Peer ist ein ewig Suchender, durch den die Hochstapler-Figuren der Gegenwart namenlos hindurchwehen. Donald Trump kann ich in den Videoeinspielungen herausfischen ("I would give myself an A+"), Kanye West ("I am Shakespeare in the flesh") und natürlich Eidinger selbst, den Lügner qua Schauspielprofession.

Peer Gynt - Lars Eidingers Peer ist ein ewig Suchender
© Benjakon

Mal Kaufmann, mal genialer Ingenieur, mal Wissenschaftler: Peer Gynt erweist sich als typischer Vertreter des Kapitalismus und Imperialismus. Er will will offensichtlich spielen, etwa wenn er – jetzt mit Joker-Makeup und goldenen HipHop-Grills auf den Zähnen – einige eben entzündete Kerzen ausrülpst oder einen Mix-Becher mit aufgeschäumter Wurst-Milch-Gewürzgurken-Melange austrinkt.


Die Ausstattung des "Peer Gynt" stammt von Aktionskünstler John Bock, die Videos von Miles Chalcraft und an der Kamera ist Hannah Rumstedt.

Erstaunlich entspannt ist das alles anzusehen. Mit ein wenig Leerlauf zwischendurch, aber hübsch, weil Aktionskünstler John Bock, der erstmals fürs Theater arbeitet, nicht nur ein spektakuläres Riesentier (Elefant?) aus Altkleidern in die Mitte der Bühne gesetzt hat, sondern vor allem als Kostümbildner glänzt. Großartige "Outfits" wie von den verrücktesten Haute-Couture-Shows hat er Eidinger geschneidert: Jeanshosenbeine als Ärmel, Jogging-Peitschen mit Strapse, überall Schweife im Überschuss. Der überzeichnete Nadelstreifenanzug hat es mir hier besonders angetan.




Ausschweifungen in der Welt der Trolle

Zwischendurch tauchen dann immer mal wieder Ibsen-Motive auf: Die Ausschweifungen der Troll-Welt als sehr expliziter Lesben-Porno auf der Leinwand, bei dem Lars Eidinger per Greenscreen-Interpolation mitmachen darf; Hannah Rumstedt als Prinzessin mit Siri-Stimme; der Zwiebel-Monolog als Moment für Eidinger, sich selbst als Rollenspieler zu verorten. Schließlich kommen wir auch in den Genuss des Musikstücks "Morgenstimmung", zu dem Peer Gynt einige intensive Flugversuche unternimmt. Zudem benennt gelegentlich Theologe Eugen Drewermann per Video-Einspieler aufschlussreiche Psychothemen rund um die Figur.

"Der Symbolismus dient einer Psychologie, die dabei ist, sich selbst verstehen zu wollen, aber von meisterhafter Brillanz in der Dramaturgie den Zuschauer oder den Hörer auffordert, sich selbst zu erkennen. Symbolismus als Mittel der Psychologie ist im 19. Jahrhundert nicht unüblich. Alles darin ist symbolisch: Das Äußere ist das Innere und das Innere ist das Äußere. Und in diesem Wechselspiel entsteht ein Weg, ein Traumpfad, sich selbst zu begreifen. Begleitet von Gedanken, die bis zum Äußersten gehen.“


Peer Gynt - Die wichtigste Rolle spielt das Thema der Identität
© Benjakon
Die wichtigste Rolle spielt das Thema der Identität

So wie Peer Gynt ständig die Schauplätze wechselt und Zitate anderer ausspricht, besitzt er kein eigenes Selbst, sondern spielt ständig neue Rollen. In einer Szene verspeist Eidinger nach und nach eine Peperoni (in Anlehnung an die Zwiebelhäutung des Originalstücks) und sieht als Peer Gynt diesen Akt selbst allegorisch als Vordringen zu seiner Persönlichkeit.

Zu den Videoszenen, in denen sich Gynts kindliches Ich mit seinem Erwachsenen Ich überschneidenden, kommt mir in den Sinn: 'Wenn die Bedürfnisse des Kindes, das du einst warst, nicht erfüllt wurden, lebt es in einem Mangel traurig und verletzt in dir fort und verhindert dass du richtig glücklich in deinem Leben bist... '

Und auch:

„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Himmelreich eintreten.“


Aber Eidinger setzt am Ende auf keine überhöhte Seelenrettung, sondern auf einen Auftritt nach dem Auftritt. Er kommt nach dem Schlussapplaus wieder raus, genießt unsere Standing Ovations: "Endlich wieder Theater" meint er, genau wie wir. Und das jetzt wirklich Schluss sei. Als sich darauf die Reihen zögernd leeren, singt er jenen die bleiben noch was vor: "When I get to the bottom, I go back to the top of the slide, where I start and I turn ...and I go for a ride ... and I get to the bottom and I see you again. "Helter Skelter. Ich tanze noch ein wenig dazu...

Alle Infos zu den Ruhrfestspielen gibt es hier: www.ruhrfestspiele.de


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