Hörbuch-Serie "Unheimliche Geschichten" Hörbücher 1-3 (von 3)
Unheimliche Geschichten 1
Nun ist er also tot, der Vater, Schläger und Lüstling, der Schrecken seiner Frau und seiner Kinder. Gerne wäre Vallie in Hamburg geblieben. Doch sie steigt in den Zug, fährt nach Rothenbach und betrachtet seinen aufgebahrten Leichnam, dieses wachsartige, 140 Kilo schwere Überbleibsel eines Scheusals. Nur zwei Nächte, nur zwei Nächte im Elternhaus. Die Formalitäten erledigen und dann zurück nach Hamburg. Es gibt überhaupt keinen Grund, Angst in diesem Haus zu haben. Der Alte ist tot, er wird keinen Schaden mehr anrichten, niemandem wird er je wieder etwas zuleide tun. Aber kann sich Vallie da so sicher sein?
Sommer 1986, der Sommer, in dem wir aus der großen Stadt hinaus aufs Land zogen. Wir wohnten am Rand eines winzigen Dorfes, in einem alten, verwinkelten Haus, das mein Vater für uns herrichtete. Als Indianer verkleidet schlichen wir durch die Stockwerke. Und wenn wir auf den staubigen Dachboden stiegen, fürchteten wir uns vor den Fledermäusen, die dort wohnten. Weiter draußen, hinter den Feldern und Wassergräben, lebte eine Mutter mit ihrem behinderten Kind. Wir sahen die beiden nur selten.
Eigentlich hatten wir ja gar nichts gegen diesen Jungen, den die anderen Kinder nur den "Hinker" nannten. Und eigentlich konnten wir nichts für das, was ihm passierte. Für das, was die anderen ihm antaten. Und doch machten wir uns schuldig.
So begann der Schrecken, von dem diese Geschichte erzählt. Noch heute, als erwachsener Mann, erinnere ich mich an die durchwachten Nächte, an das schnelle, rasselnde Atmen meines Bruders, an den Geruch seiner Angst, der unser Kinderzimmer füllte...
Unheimliche Geschichten 2
Ein Arbeitstag im Leben des Fotografen Marc Baumann: Fahrerei, schlechtes Essen, die Suche nach der richtigen Adresse. Doch diesmal ist etwas anders. Ein ungutes Gefühl überkommt ihn, als er endlich vor dem heruntergekommenen Haus steht, das er fotografieren soll. Wie das Gesicht einer gewaltigen Spinne erscheint es ihm: die Tür das Maul, darum verteilt die glotzenden Fensteraugen.
Aber Baumann wird seine Arbeit machen, er wird die Zimmer und Flure ablichten, damit das große, seit Jahrzehnten leerstehende Gebäude endlich verkauft werden kann. Und der junge Mann, der ihn durch die Räume führt, ist freundlich, skurril aber freundlich. Allerdings auch ein wenig anstrengend. Würde er doch nur seine verrückten Geschichten für sich behalten. Aber er redet, redet, redet.
Baumann will fertig werden. Er will nach Hause, zurück zu seiner Familie. Langsam kriecht die Dunkelheit in das alte Anwesen... und noch war er nicht in jedem der vielen Zimmer.
Unheimliche Geschichten 3