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Tinnitus und Mikronährstoffmangel: Können Vitamin-Defizite Ohrgeräusche verstärken?


Tinnitus – mehr als nur ein lästiges Geräusch


Tinnitus ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom mit vielfältigen Ursachen. Während viele Betroffene Ohrgeräusche auf Lärmtraumata oder Stress zurückführen, bleiben oft versteckte Faktoren wie Mikronährstoffmangel, Kieferfehlstellungen oder Hormonschwankungen unberücksichtigt. Dieser Artikel beleuchtet drei wenig diskutierte, aber wissenschaftlich relevante Aspekte: die Rolle von Vitalstoffen, somatosensorische Auslöser und hormonelle Einflüsse.


Tinnitus und Mikronährstoffmangel: Können Vitamin-Defizite Ohrgeräusche verstärken?
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Mikronährstoffmangel und Tinnitus: Die unterschätzte Verbindung


  • Zink: Das essenzielle Spurenelement fürs Ohr

    Zink ist an über 300 enzymatischen Prozessen beteiligt, darunter auch an der Regulation des Hörvorgangs. Ein Mangel kann zu einer gestörten Signalweiterleitung in den Haarzellen der Cochlea führen, was Tinnitus begünstigt. Studien zeigen, dass insbesondere Menschen mit niedrigen Zinkspiegeln häufig über hochfrequente Ohrgeräusche klagen. Ein Beispiel: In einer klinischen Untersuchung erhielten Probanden mit idiopathischem Tinnitus drei Monate lang Zink-Supplemente. Bei 82% verringerte sich die Lautstärke der Ohrgeräusche signifikant – ein Hinweis darauf, dass selbst leichte Defizite die Symptomatik verschärfen können.

    Interessant ist auch die Wechselwirkung zwischen Zink und Glutamat, einem Neurotransmitter, der bei Überaktivität zu neuronaler Übererregung führen kann. Zink wirkt hier als natürlicher Gegenspieler und dämpft exzitatorische Prozesse im Hörsystem. Besonders bei stressassoziiertem Tinnitus – etwa nach einem Hörsturz – könnte eine gezielte Zinkgabe daher sinnvoll sein.
  • Vitamin B12: Nervenschutz gegen Ohrgeräusche

    Vitamin B12 ist entscheidend für die Myelinscheidenbildung der Nerven, darunter auch des Hörnervs. Ein Defizit kann zu einer gestörten Reizweiterleitung führen, was sich in Tinnitus, aber auch in Hörminderung äußert. Besonders betroffen sind ältere Menschen, bei denen die Magensäureproduktion nachlässt, sowie Veganer, die keine tierischen B12-Quellen zu sich nehmen. Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Studie des Journal of Otology fand bei fast der Hälfte der untersuchten Tinnitus-Patienten unentdeckte B12-Mängel. Nach Substitution berichteten viele von einer deutlichen Besserung.

    Ein weiterer Mechanismus ist die Rolle von B12 im Homocystein-Stoffwechsel. Erhöhte Homocysteinwerte schädigen die Gefäße und können die Mikrozirkulation im Innenohr beeinträchtigen. Hier wirkt B12 als Co-Faktor für den Abbau – ein weiterer Grund, warum ein Mangel Ohrgeräusche verstärken kann.
  • Magnesium: Der Stresspuffer für die Hörsinneszellen

    Magnesium ist ein natürlicher Calcium-Antagonist und schützt die Haarzellen im Innenohr vor übermäßiger Erregung. Bei Stress oder Lärmbelastung steigt der Magnesiumbedarf drastisch an. Ein Beispiel: Musiker mit lärmbedingtem Tinnitus, die täglich 400 mg Magnesium einnahmen, berichteten in einer Studie der Universität Münster von einer Reduktion der Ohrgeräusche um durchschnittlich 30%.

Mikronährstoffmangel und Tinnitus: Die unterschätzte Verbindung



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  • Ein weiterer Effekt betrifft die Durchblutung der Cochlea. Magnesium entspannt die Gefäßmuskulatur und verbessert so die Sauerstoffversorgung des Innenohrs. Gerade bei pulsierendem Tinnitus – oft ein Hinweis auf vaskuläre Ursachen – kann dies entscheidend sein. Interessanterweise wirkt Magnesium auch auf psychischer Ebene: Es reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen, die wiederum die Tinnitus-Wahrnehmung verstärken können.
  • Selen und Vitamin D: Zwei oft übersehene Mitspieler

    Während Zink und B12 häufig diskutiert werden, bleiben Selen und Vitamin D oft unbeachtet. Selen ist ein zentraler Bestandteil des Enzyms Glutathionperoxidase, das oxidative Schäden in den Haarzellen repariert. Ein Mangel könnte daher langfristig zu Hörschäden führen.

    Vitamin D wiederum moduliert die Immunantwort im Innenohr. Autoimmunprozesse, die manche Formen von Tinnitus triggern, könnten so beeinflusst werden. Eine Studie zeigte, dass Patienten mit chronischem Tinnitus oft niedrige Vitamin-D-Spiegel aufweisen – ein möglicher Ansatzpunkt für weitere Forschung.
  • Praktische Umsetzung: Wie Sie Defizite erkennen und ausgleichen

    Ein differenziertes Blutbild ist unerlässlich, um Mängel zu identifizieren. Während Zink und Magnesium im Vollblut gemessen werden sollten, gibt der Holotranscobalamin-Wert Aufschluss über die B12-Versorgung. Bei Verdacht auf einen Selen- oder Vitamin-D-Mangel lohnt sich eine gezielte Laborkontrolle.

    Die Substitution sollte immer individuell erfolgen. Beispielsweise kann Zink in Form von Bisglycinat besser resorbiert werden als Zinksulfat. Bei B12 sind sublinguale Tropfen oder Injektionen oft effektiver als Tabletten – besonders bei Resorptionsstörungen. Magnesiumcitrat wiederum ist besonders bioverfügbar und gleichzeitig magenschonend.


Somatosensorischer Tinnitus: Wenn Kiefer und HWS die Ohren täuschen


Bis zu 30% aller Tinnitus-Fälle haben somatische Ursachen – meist Kiefer- oder Halswirbelsäulenprobleme.

  • Wie Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) Tinnitus auslöst

    Eine Fehlstellung des Kiefergelenks kann über Muskelketten Spannungen bis zum Mittelohr übertragen. Typisch sind Ohrgeräusche, die bei Kaubewegungen fluktuieren.
  • HWS-Blockaden: Der stille Verstärker von Ohrgeräuschen

    Blockierte Wirbel können die Durchblutung der A. vertebralis beeinträchtigen, die das Innenohr versorgt. Manualtherapeuten berichten von Fällen, in denen eine einzige Atlastherapie den Tinnitus um 70% reduzierte.
  • Therapieansätze:

    Tinnitus und Physiotherapie im Vergleich

    Während Physiotherapie mit gezielten Dehnübungen die Muskelspannung löst, arbeitet die Osteopathie an der Dysfunktion der Schädelknochen. Beide Methoden zeigen in Studien ähnliche Erfolgsquoten (~60% Besserung).

Somatosensorischer Tinnitus: Wenn Kiefer und HWS die Ohren täuschen
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Hormone und Tinnitus: Die unsichtbaren Dirigenten der Ohrgeräusche


Endokrine Dysbalancen sind besonders bei Frauen ein unterschätzter Tinnitus-Treiber.

  • Schilddrüsenstörungen: Wenn Hormone das Gehör beeinflussen

    Hypothyreose verlangsamt den Stoffwechsel der Haarzellen im Innenohr. Eine Studie der Mayo Clinic fand bei 44% der Hashimoto-Patienten chronische Ohrgeräusche.
  • Östrogen und Cortisol: Warum Frauen häufiger betroffen sind

    Östrogenmangel in den Wechseljahren erhöht die Neuronenexzitabilität im Hörkortex. Gleichzeitig verstärkt chronischer Stress (hohes Cortisol) die Wahrnehmung von Tinnitus.


Diagnostik: Wie Sie herausfinden, was Ihren Tinnitus antreibt


Ein ganzheitlicher Check-up sollte umfassen:

  • Bluttest auf Zink, B12, Magnesium, Schilddrüsenwerte
  • Manuelle Untersuchung der HWS und Kiefergelenke
  • Hormonprofil bei Frauen mit zyklusabhängigem Tinnitus


Therapieoptionen: Von Nährstoffoptimierung bis Manualtherapie


  • Nährstoffe: Tägliche Einnahme von 50 mg Zink, 1000 µg B12 und 400 mg Magnesiumcitrat
  • Physiotherapie: Übungen nach Brügger zur HWS-Entlastung
  • Hormonregulation: Bei Frauen kann eine bioidentische Hormontherapie helfen


Ein ganzheitlicher Blick auf Tinnitus


Tinnitus ist selten ein isoliertes Ohrproblem. Wer Mikronährstoffdefizite, Kieferfehlstellungen oder Hormonstörungen übersieht, behandelt nur Symptome. Eine interdisziplinäre Herangehensweise verspricht die besten Erfolge.
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