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Chronisch krank als Folge frühkindlicher Traumata


Oder:

Das hat uns ja auch nicht geschadet!



von Karti Dietz

Die Auswirkungen emotionalen oder körperlichen Missbrauchs in der Kindheit, wie sie in dysfunktionalen Familien stattfinden, können gravierende Ausmaße annehmen. Das körpereigene Alarmsystem gerät schon in der frühen Kindheit aus dem Gleichgewicht und schrillt im Dauermodus. Egal, welches Trauma zugrunde liegt: wenn es nicht verarbeitet wird, bleibt der Körper im Fight-or-Flight-Zustand.


Chronisch krank als Folge frühkindlicher Traumata
© Matheus Bertelli/pexels.com


Unser Gehirn reagiert in einer Gefahrensituation mit dem altbekannten Neandertaler-gegen-Säbelzahntiger-Muster: Kämpfen oder flüchten. In beiden Fällen werden nicht unwesentliche Mengen Adrenalin und Cortison ausgestoßen, gleichzeitig wird alles nicht Lebensnotwendige (Hunger, Pipi, kalt) ignoriert. Alle Sinne werden geschärft, um die nötigen Ressourcen zu aktivieren, die das Überleben sichern. Dort drüben: der Tiger – hier vorne: ich! In Todesangst, aber zu allem bereit!

Diese psychische Reaktion wurde erstmals 1915 vom US-Physiologen Walter Cannon als Fight-or-Flight-Syndrom beschrieben. Kinder in traumatisierenden Situationen geraten also in gefühlte Lebensgefahr. Ein Baby, das nicht beachtet wird, wenn es schreit, muss davon ausgehen, dass es im schlimmsten Fall verlassen ist. Es würde dann sterben, da es auf die Außenwelt angewiesen ist. Es kann sich aber nicht anders äußern, als zu schreien. Lang und nervtötend. Eltern kennen das. Es ist das Geräusch, das tatsächlich Alarmsirenen aussenden, weil es den Urinstinkt der Menschen anregt und höchste Gefahr signalisiert, ein Menschenleben ist hier in Gefahr. Das Baby muss unter allen Umständen gerettet werden, um das Überleben der Menschheit zu sichern. (In Zeiten der Überbevölkerung scheint es paradox, aber die Natur setzt sich eben durch). n.

„Schreien kräftigt die Lungen“ war bis in die 80er Jahre hinein ein weiterverbreiteter Irrtum nach einem nationalsozialistischen Mütterratgeber von 1934 („Die deutsche Frau und ihr erstes Kind“ von Dr. Johanna Haarer) und auch noch im 21. Jahrhundert heißt es „Jedes Kind kann schlafen lernen“.

Im gleichnamigen Sachbuch empfiehlt die Autorin Annette Kast-Zahn einen Schlaf/Wach-Plan sowie einen Still-Plan nach der bis heute umstrittenen Ferber-Methode (nach dem gleichnamigen US-Psychologen) Auch sie rät dazu, „Kinder nach 10-15 Minuten Geschrei auch mal zu ignorieren“.



Keine Frage, Eltern müssen auch schlafen, der Meinung bin ich durchaus


Ich hinterfrage nur, ob es auf Kosten des Vertrauens und damit der Gesundheit der Kinder gehen muss. Viele Eltern tun sich schwer damit, ihr Kind weinen zu lassen – aus dem richtigen Instinkt heraus, nämlich dem, die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen (Bedürfnisorientierte Erziehung) Ferber selbst hat sich übrigens schon vor Jahren von seinem in den 70ern veröffentlichten Schlaftraining distanziert. Das Programm sei lediglich als allerletzter Ausweg gedacht gewesen, für Eltern, die kurz vor der Misshandlung ihres Kindes standen – also rein zum Schutz vor einer Kindeswohlgefährdung, und nicht als allgemeingültiges Bildungswerk. (Bindungsherz, Familienbegleitung Natalie Elbert).

Bei Nichtbeachtung geraten Kinder also schon früh in einen sogenannten Angst-Terror (Fight or Flight).

Werden seine Bedürfnisse nicht erfüllt, wird das Kind in dem Glauben aufwachsen, dass diese nicht zählen- es kann kein oder nicht ausreichend Vertrauen ins Leben und in die Welt gebildet werden.

Gerät das Kind immer wieder in bedrohliche Situationen auch außerhalb der Familie – zum Beispiel durch Mobbing in der Schule, autoritäre und dominante Lehrer – entwickelt sich daraus immer weiter ein ungesundes Selbstverständnis und Angst, die in dysfunktionaler Familie nicht gezeigt werden darf.


Keine Frage, Eltern müssen auch schlafen, der Meinung bin ich durchaus
© RDNE Stock project/pexels.com


Gefühle werden entweder extrem oder gar nicht mehr ausgelebt, aber nicht gesund reguliert. Das Kind darf die Angst in der dysfunktionalen Familie nicht zeigen, nicht ansprechen und wird damit nicht angenommen. Versuche, die Gefühle zur Sprache zu bringen, werden mit Killerphrasen abgebügelt: Stell dich nicht so an! Andere können ja auch…Mir geht es noch viel schlechter. Du hast es doch so gut!

Da im Moment der anhaltenden Bedrohungssituation Hunger, Durst und Schmerzen unterdrückt werden, kann sich bei einem dauerhaften Angst-Gefühl keine gesunde Wahrnehmung für das eigene Körperempfinden ausbilden. Es kommt im schlimmsten Fall zu Wahrnehmungsstörungen, in den meisten Fällen aber dazu, dass dieses Kind sich als Erwachsene*r nicht wettergerecht anzieht, nicht genug oder aber zu viel isst, nicht genug trinkt und körperlich schlicht keine optimalen Voraussetzungen für sich schaffen kann. Eigene Grenzen werden nicht erkannt und deshalb auch nicht eingehalten. Das führt zu schlechten Gewohnheiten, die noch schlechtere Folgen nach sich ziehen.

Körperliche Beschwerden oder Müdigkeit und Erschöpfung werden zum Teil so lange unterdrückt, mit Kaffee, Alkohol, Tabletten oder anderer Ablenkung bekämpft, bis der Körper sich schließlich mit einem eigenen Rettungsplan, einer schweren Erkrankung, an „seinen“ Menschen wendet.

Gewalt, Streit und Verleugnung in der dysfunktionalen Familie, sowie Ablehnung, Kritik oder Lieblosigkeit, lassen Kinder ebenso im Misstrauen aufwachsen. Es kann sich kein Verbundenheitsgefühl entwickeln.

Dieses ist aber wichtig, um Adrenalin und Cortison zu senken und im Gehirn einen Bereich der Entspannung zu aktivieren.

Überschreiten Eltern darüber hinaus ihre Grenzen und geben ihren Kindern eine Verantwortung, die sie noch nicht tragen sollten, indem sie sie zu kleinen Müttern oder Vätern, Ratgebern oder Trostspendern machen, verschieben sich die Eltern-Kind-Ebenen (Parentifizierung). Diese Kinder erkennen auch später im Leben nicht, was ihre Aufgaben sind, was andere von ihnen erwarten dürfen und wo ihre körperlichen und emotionalen Grenzen liegen.


Um Adrenalin und Cortison zu senken und im Gehirn einen Bereich der Entspannung zu aktivieren
© Karolina Grabowska/pexels.com


Dies muss sich nicht unbedingt in Krankheiten äußern, kann aber zur Folge haben, dass Menschen sich im Erwachsenenalter schlecht abgrenzen und nicht nein sagen können, die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen stellen und in toxischen Beziehungen enden.

Sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt und Alkoholismus sowie psychische Krankheiten in der Familie sind ein weiteres großes Feld, das sehr begünstigend für spätere chronische Krankheiten ist. Auch hier bestärkt der Trauma-Faktor den Stress-Faktor.

Traumata werden über Generationen weitergegeben (transgeneratives Trauma). Wenn die Mutter nicht gelernt hat, ihre alten Verletzungen zu heilen und ihre Gefühle zu regulieren und gut für sich zu sorgen, wie soll sie es ihren Kindern vermitteln?

Aus gestressten Kindern werden gestresste Erwachsene. Warum kommen wir nicht mehr zur Ruhe? Viele Menschen wiederholen unbewusst den Angst-Terror ihrer Kindheit (Reinszenierung). Das Gefühl, in ständiger Unruhe zu leben, in ewiger Alarm-Bereitschaft, wie getrieben und gehetzt, ohne auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, begleitet viele in ihrem Alltag.

Es ist nicht wichtig, wie „schlimm“ oder groß das eigene Trauma ist. Wie gesellschaftlich anerkannt oder tragisch die eigene Geschichte. Wenn DU unter den Umständen gelitten hast, dann hast du gelitten. Egal, was andere behaupten.

Manche können sich kaum an ihre Kindheit erinnern, vermuten aber, dass es Gründe für ihre andauernde Unruhe geben muss.

Eine Klientin sagte mir, ihre Mutter habe Drogen genommen und sie sei als Kind häufig abends und nachts alleine zu Hause gewesen, weil die Mutter feiern war. Dann fügte sie an: „Aber meine Mutter meinte, das war damals eben so und es hat mir ja auch nicht geschadet.“ Die Klientin raucht, trinkt Alkohol, ist übergewichtig, lebt in einer Beziehung mit einem narzisstischen Mann und leidet an Vaskulitis, einer chronischen Erkrankung der Blutgefäße.



Katri Dietz: Härtetest
Katri Dietz (Autor)

Härtetest
Leben mit Kind – es wird nicht besser, nur anders!

Das Leben kann manchmal besonders gemein sein. Eigentlich ist Sophie glücklich, wären da nicht: die Praktikantin ihres Mannes Jonas, die ihn sich unter ihre manikürten Fingernägel reißen will. Die reizende vierjährige Tochter Maja, die ihre Mutter aber auch mal bis aufs Blut reizen kann. Die überstrenge Erzieherin im Kindergarten, vor der alle kuschen. Und der Zickenkrieg bei der Zeitschrift „Mütter“, für die Sophie arbeitet. Ist das Leben zu hart oder bist du zu schwach?


Es hat mir ja auch nicht geschadet – der Klaps hier, die Ohrfeige da, ein Abend alleine, während Mama und Papa auf dem Schützenfest sind? Ein Jahr bei einer Pflegefamilie, um dann wieder zurückgeholt zu werden? Was dem einen nicht schadet, fügt dem anderen erheblichen Schaden zu.

Und in vielen Familien hieß es in den 70ern und 80ern: „Darüber spricht man nicht.“ Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir heute darüber sprechen.



Klientinnen kommen zu mir, die es genießen, einfach zu weinen und zu reden


Das ist wichtig. Noch wichtiger ist, dass sich daraus schließlich ein Bewusstsein für die eigene Wahrnehmung entwickeln darf. Ich verstehe. Ich sehe. Ich kann da total mitfühlen. Und es gibt einen Weg aus der Krankheit, mit vielen aber einfachen kleinen Möglichkeiten. Die Frauen erkennen ihre Selbstwirksamkeit, ihre Resilienz. Sie dürfen selbst etwas ändern, selbst ihre Grenzen setzen, sich ihrer selbst bewusst werden – selbstbewusst werden.


Klientinnen kommen zu mir, die es genießen, einfach zu weinen und zu reden
© Karolina Grabowska/pexels.com



Was ins Bewusstsein geholt wird, verliert langsam seinen Schrecken


Eine andere Klientin leidet sehr unter Lähmungserscheinungen ihres Körpers. Die neurologischen Befunde sind unauffällig. Sie fühlt sich „für verrückt gehalten und nicht als Mensch wahrgenommen“, bis sie erzählt, dass sie sich ihr ganzes Leben lang vor ihren Eltern gefürchtet hat: Sie war vor Angst „wie gelähmt“. Der erste Durchbruch in der Heilung gelingt, wenn wir die Beschwerden einem Gefühl und einer Erinnerung zuordnen können. Dann kann die Genesungsarbeit beginnen.

Wer nie gelernt hat, gut für sich zu sorgen, tut sich damit schwer, weil die Reinszenierung unserer alten Muster so viel leichter ist. Was wir kennen, gibt uns Sicherheit. Alles andere fühlt sich am Anfang falsch und bedrohlich (oder einfach „doof“) an. Waldspaziergang – langweilig. Ausruhen ohne Handy? Mega lahm. Kontakte reduzieren? What – warum sollte ich? Monotasking? Pfff…warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?

Es ist noch nicht abschließend wissenschaftlich geklärt, wie sich Autoimmunerkrankungen und chronisch-entzündliche Krankheiten im Körper entwickeln. Manchen chronischen Erkrankungen liegt ein Gendefekt zugrunde. Andere treten als Reaktionen auf Infektionen auf. Reaktive Arthritis ist die bekannteste. Inzwischen sind sich mehrere Studien einig, dass chronische Krankheiten häufig durch mehrere Faktoren ausgelöst werden, von denen Stress eine der Hauptursachen ist. Dr. Bruce Lipton, Professor an der Stanford University of Medicine, kommt sogar zu dem Schluss, dass Stress die Ursache von 95% aller Krankheiten ist.

In unserer heutigen Zeit können wir uns leicht im Höher-Schneller-Weiter verheddern – gerade deshalb müssen wir aufpassen, nicht im Stress zu versinken und immer kränker zu werden. Um dem entgegenzuwirken, arbeite ich als Personal Coach für Frauen mit chronischen Krankheiten.




Katri Dietz


Katri Dietz
© Katri Dietz
ist staatlich geprüfte Rundfunkjournalistin, Autorin und zertifizierte Psychologische Beraterin/ Personal Coach für chronisch kranke Frauen mit dem Schwerpunkt Positive Psychologie.

Bis zu ihrer schweren Erkrankung 2017 mit Polymyositis hat die gebürtige Hannoveranerin als Freie Redakteurin und Presenterin für verschiedene Radiosender Norddeutschlands gearbeitet (z.B. radio ffn, NDR, R.SH)

Katri Dietz nutzt heute die Natur, Reiki, ihre eigenen Erfahrungen mit Traumaheilung sowie ihre fundierte Ausbildung, um anderen chronisch kranken Frauen Mut zu machen und neue Lebensfreude zu vermitteln. Voraussichtlich im September 2024 wird sie auch die Weiterbildung zur Resilienztrainerin erfolgreich abgeschlossen haben.

Im Heyne Verlag hat sie bereits zwei Romane veröffentlicht, Wickelkontakt (2011) und Härtetest (2012). Weitere Romane sind in Planung.

Die 47-jährige ist seit 2005 verheiratet und hat zwei jugendliche Kinder. Zur Familie gehören auch eine Hündin und zwei Katzen aus dem Tierschutz. Die Natur-Coachin lebt und arbeitet in ihrer Wahlheimat Schleswig-Holstein.


Unheilbar und unsichtbar


Polymyositis ist eine seltene rheumatische Autoimmunkrankheit der Muskeln. Katri Dietz möchte mehr Aufmerksamkeit und Verständnis für Menschen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen schaffen.

Allein zum rheumatischen Formenkreis gehören über 400 Erkrankungen. Rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Lupus, Gicht und Vaskulitis sind die bekanntesten.

Direkt zu Homepage von Katri Dietz:
www.katri-dietz.de



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