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Was ist Erfolg?


von Bruno Schulz

„Glaub keinem, der dir Erfolg verspricht,
wenn du Erfolg hast, hast du Erfolg,
wenn nicht , dann nicht.“
(Erhard Blanck)


Bruno Schulz: Was ist Erfolg?
© Pixabay/pexels.com


Johann Christoph Adelung war Germanist, Bibliothekar … und: ‚Lexikograph‘. Schickes Wort, interessante Aufgabe: Lexikographen beschäftigen sich mit der Erstellung von Wörterbüchern. Adelung war zu seiner Zeit der Experte darin und sein berühmtestes Werk wurde das ‚Grammatisch-kritische Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart‘ (Untertitel: ‚mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen‘) aus dem Jahr 1774. Ein Meilenstein unter den deutschen Wörterbüchern.

Adelung hatte erstaunlicherweise daneben noch Zeit und Ideen für ganz andere tolle Aufgaben, wie seine siebenbändige ‚Geschichte der menschlichen Narrheit‘, in der er humorvoll aufklärerisch den Aberglauben und den Obskurantismus sezierte oder etwa die Astrologie. Aber das nur so als Sidekick.

Zurück zum Lexikographen und dem eigentlichen Aufhänger dieser Zeilen. Johann Christoph Adelung war überzeugt: ‚Erfolg‘ kommt von ‚erfolgen‘, auch als Folge oder Konsequenz. Als Effekt des Handelns. Im Althochdeutschen stand ‚erfolgen‘ für ‚erreichen‘, ‚sich erfüllen‘ oder ‚zuteilwerden‘. Der Erfolg ist demnach Wirkung und Handeln ist seine Ursache.

Bis hierhin ist alles ganz leicht. Easy listening oder besser reading. Fahrstuhltext. Die objektive Bewertung von Erfolg gerät da schon erheblich komplexer. Viele binden den exklusiv an Zahlen. Egal wie und egal mit was. Ganz getreu dem guten alten Motto nach dem Titel des unbedingt empfehlenswerten Diogenes-Bandes mit dieser umfangreichen Sammlung von Arbeiten des legendären Zeichners Chaval: „Esst mehr Scheiße - zehn Millionen Fliegen können nicht irren!“. Was so wohl auch für die BILD stehen kann, für Volksmusik und ungezählte andere ‚Erfolgsstories‘:

1971 kam ein Marketinggenie auf die Idee, den Urin von Chuck Norris in Dosen abzufüllen und unter dem Markennamen ‚Red Bull‘ zu verkaufen, der Rest ist Geschichte. Stimmt nicht? Naja ok, aber fast. Das versuchen jedenfalls inzwischen viele Prominente nachzutröpfeln und zum Beispiel als Eistee oder Fruchtwein-R2D feilzubieten. Dabei ist „Prominenz“ ein erheblich dehnbarer Begriff, wie wir nicht erst seit den RTL-Formaten in Dschungeln, aus Sommerhäusern oder von textilfreien Inseln ahnen. „Ja, aber die Millionen von Followern“ … sind die Fliegen. Entspannt Euch bitte, vom Mond aus sieht die Erde gar nicht so groß aus.

„Wieso vom Mond aus?“ Na, dahinter wird man ja sofort gewähnt, wenn man nicht jeden Ameisenhusten umgehend mitbekommen und aufmerksam verfolgt. Aber wenn man denn schon mal dort ist, kann man die heilsame Perspektive auch gleich ein- und mitnehmen.

Die Psychologen sprechen von Erfolgen, wenn subjektive Wünsche, Bedürfnisse oder Erwartungen mit objektiven Situationen in Einklang gebracht werden können. Ganz gleich, ob es um Unternehmensziele, gesellschaftliche oder persönliche Ziele geht: nachhaltige Erfolge fußen auf Intelligenz, Wissen und Sozialverhalten, auf Kultur und Motivation und nicht zuletzt auf ein nüchternes Selbstbild. Was ‚nachhaltig‘ bedeutet? Das ist wohl relativ. Fragen Sie doch mal Kanye West oder Attila Hildmann. Haha.

„Capital Bra bricht 50 Jahre alten Rekord der Beatles.“

In dieser MTV-Meldung vom 28. März 2019 steckt fast alles im Sujet, auf jeden Fall aber jede Menge Untiefen. Schaun wir mal, was man in weiteren fünfzig Jahren über ‚Capital Bra‘ zu berichten weiß. Unfair? Vielleicht. Klar, hat der Mann Erfolg. Keine Frage. Wirtschaftlichen vor allem. Dafür feiert ihn Universal Music, die ihn auf einem ‚Urban Label‘ zielgruppengerechter plazieren. Echokammer. Ok, eher Echosaal. Capital Bra macht übrigens auch erfolgreich Eistee. „Halt mal, der ist doch Sprechmusikant“. Er macht ihn ja nicht selbst. Genauso wenig wie die Streaming-Box ‚Capital Bra Edition‘ oder die ‚Capital Bra’-Sneaker von Adidas. Oder die ‚Capital Bra‘-Pizza, wie mir heute ein junger Mitarbeiter zum Mittagstisch versichern mochte.

Capital Bra bricht 50 Jahre alten Rekord der Beatles.
© Rodolfo Clix/pexels.com


Ok, ich muss es nicht verstehen, aber vermutlich wird es Leute geben die seine Musik tatsächlich gerne hören. Wer bin ich schon entscheiden zu wollen, was ins Töpfchen kommt und was ins Kröpfchen? Und irgendwoher müssen die dreizehn Nummer-Eins-Hits ja auch kommen. Aber das mit dem Eistee und das mit der Pizza, das merkt ihr schon noch selbst? „Er vermarktet sie halt erfolgreich. Er verkauft sie, weil er’s kann.“ Sagen wir doch lieber so: jemand vermarktet den Kram in seinem Namen und leiert damit ein paar Kindern und geistig sehr Junggebliebenen ihre paar Kröten aus der Tasche oder aus den nervlich leicht aufzubohrenden Elterntieren.

„Aber die Shirin hat doch mehr als zwei Millionen Follower!“ Vermutlich sagt das mehr aus über ihre Follower, als über das menschgewordene, mobile Nagelstudio selbst. ‚Bitches brauchen Rap‘: die harte Schule des Lebens, the school of hard knox. Das klingt vielleicht nach Blasen, aber eben nicht nach dem gekonnten Blasen von Oboen, was mir kürzlich eine Diskutantin mitzuteilen trachtete als Referenz zur Eloquenz der Alchimistin, die Pech zu Gold machen könne. Sie schreibe ihre Titel selbst. Kann sein, oder auch nicht. Ich weiß es nicht und die Diskutantin auch nicht wirklich. Vermutlich. Egal.

„Ok Bruno, was ist denn für dich selbst Erfolg?“ „Gerade jetzt und in diesem Augenblick? Drei bayerische Spitzenköche haben mir in den letzten Stunden unabhängig von einander und ohne, dass sie daran etwas verdienten oder mir einen vorteilverschaffenden Gefallen getan hätten verkündet, dass sie noch nie einen besseren süßen Senf gegessen hätten als unseren biozertifizierten, kaltgeschroteten Rôtisseur-Manufaktursenf vom Senfwerk (www.senfwerk.de), an dem wir so lange und so hart gearbeitet haben.“ „Pah, aber ihr verkauft ja quasi nix. Jedenfalls gemessen an Produkten wie ‚DirTea‘.“ „Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht gerne mehr von unserem großartigen Senf verkaufte. Wir arbeiten daran. Aber ich bin schon mal verdammt stolz auf unser tatsächlich selbstgemachtes, nachhaltiges, fair gehandeltes und inhaltlich einwandfreies Produkt, das so gut schmeckt. Naja … und außerdem singe ich nicht von Bitches und sehe auch nicht so aus. Was aber auch nicht so recht passen wollte zu einer dicken, alten weissen CIS-Hete, wie ich eine bin. Und außerdem halte ich es für einen ausgesprochenen Erfolg, auch mit übernächste Woche schon siebenundfünfzig Jahren noch immer jeden Tag machen zu müssen, was ich will. Machen ist schon Erfolg. Selbst machen und nicht nur reagieren. Würde ich sagen.“

Am Erfolg darf man nicht ziehen, sonst reisst er früher oder später ab. Man rennt ihm besser auch nicht hinterher, denn dabei gerät man zu leicht außer Atem und verpasst noch die echten Chancen. Perfekt ist, wenn er ohne Leine neben herläuft und jedes Tempo mitgeht. Jedenfalls ist das authentischer.



Bruno Schulz
© www.brunoschulz.de
Bruno Schulz
ist siebenundfünfzig Jahre alt und Vater eines Sohnes. Er hat Innenarchitektur studiert und einiges Geisteswissenschaftliche. Nach einigen Stationen in Deutschland, Europa, in Asien und in Afrika arbeitet er als Designer, Texter und Moderator. Mit seiner Agentur schulzundtebbe (www.schulzundtebbe.de) entwickelt und pflegt er Marken. Er liebt und lebt das Storytelling und schreibt immer und leidenschaftlich, ob Essays, Short Stories oder Reiseberichte. Oft geht es dabei um die Liebe, das Leben, Genuß...

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