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Der Zaunpfahl
von Sandra Windges
Die Erde hat auf die Pausetaste gedrückt.
Wie ein Krieg ohne Bomben, trotzdem wird scharf geschossen.
Die Welt ist so neu und so retro.
Alles ist so surreal.
Das mit der Pausetaste trifft nur bedingt zu, für alle relevanten Personenkreise in den einschlägigen Gewerken wie Medizin und Einzelhandel, aber auch Politik steht alles auf Dauerrotation. Wenn die alle nicht bald reif für die Klapse sind, dann weiß ich es nicht. Ich weiß sowieso gar nichts, oder doch sehr wenig. Ich weiß, was gerade passiert, weil ich gar nicht umhin komme, es zu wissen und mich zu informieren. Alles andere wäre grob fahrlässig. Aber wann und wie und was noch… das kann ich nur vermuten. So wie ich nur vermuten kann, wie es allen anderen nicht nur in meinem Heimatland, sondern weltweit geht oder gehen wird. Unvorstellbar, was gerade geschieht, rasant geschieht, wie ein reißender Strom kommt es mir vor. Eine etwas altbackene Metapher, die erschreckend gut zu unserem Jahr 2020 passt, ist es nicht so? Wo der Wahnsinn und die Not und die Angst nicht toben, herrscht eine unfreiwillige Ruhe. Ja, das muss man aushalten können, mal außerhalb Weihnachten und Ostern mit der Familie da zu hocken, den lieben langen Tag die eigene Brut um einen herum zu haben, die man sonst so kommod in der Schule, Kita oder bei den Großis oder Freunden parken konnte. Das ist hardcore.

© kellysikkema/unsplash
Bin ich froh, dass unser Kind mit knapp siebzehn aus dem Allergröbsten ´raus ist und die Ausgangsbeschränkung nicht nur durch das übliche gelangweilte Figurenwerfen, sondern auch mit einem höheren Futterbedarf kompensiert und leichte Anwandlungen von Lagerköllerchen bisher noch weglachen kann, während es sagt: „Kein Hate an euch, aber ich will meine Freunde wiedersehen. Ich will zur Schule!“. Dass ich das in diesem Leben noch mal hören darf, Hammer!
Die Freunde wiedersehen, oh ja! Die ganze Situation - Stichwort „Reißender Strom“- bringt eine weitere Woge mit sich, ein Wort und ein Gefühl: Sehnsucht. Sehnsucht nach sozialen Kontakten, nach Ausgehen, nach Knutschen im Kino und Bierchen oder Cappu trinken, draußen, in der Sonne.
Aber wenn man doch mal draußen ist, von wegen Vitamin D und Sauerstoff, dann umläuft man schon einen Parcours von Zaunpfählen. Jedes äsende Reh in der Nähe ist einer. Jeder Hauch klarer, frischer Luft, jedes Vogelzwitschern, das nicht vom Verkehrslärm übertönt wird, alles, was darauf hinweist, dass uns grade mal so gar niemand vermisst, keine Flora und keine Fauna - wenn man genau hinhorcht, hört man das tiefe Aufatmen, das glückselige Seufzen und ein leises Geraune und Gekichere: „Wo sind denn alle?“ „Man erzählt sich, sie müssten in ihren Bauten bleiben“…

© chungharu/unsplash
„Da grassiert so ´ne Menschen-Tollwut“…. „Aaawww, der ganze Wald für uns…“
Aber ich war ja bei der Sehnsucht. Habt ihr schon eine “After-Corona-Bucket-List“ erstellt? „Was mache ich, wenn…,“? Omma besuchen, verreisen, eine Nacht durchfeiern und tanzen, in der Buchhandlung übernachten, am Büdchen alle Herumstehenden küssen und ´ne Runde geben? Die Kinder auf den Ponyhof schicken? Das Sultan-Paket beim Barbier buchen? Endlich wieder die Freunde im Darkroom des Swingerclubs abklatschen? Nichts davon?
Wie läuft das eigentlich gerade auf den Datingplattformen ab? Bekommt man zu jedem ersten Date eine Schutzmaske als Gutsi? Bringt jeder der potenziellen Paarhälften einen Beutel Reis bzw. ´ne Tüte Mehl mit? Gibt es als Lockangebot der elitären Swipeshipperbetreibenden ´ne Rolle Klopapier gratis?
Vielleicht, vielleicht, vielleicht, bleibt ja etwas übrig von dieser - leider mit furchtbaren Katastrophen und Verlusten besetzten - Ausnahmesituation und wir können tatsächlich eine Art Neubeginn starten, wie ein Wiederaufbau nach dem Krieg: ein Aufbau, der die Ruinen unserer kranken, rasanten Zivilisation zurücklässt, sodass sie allenfalls als Mahnmal dienen. Wohlgemerkt, die BÖSEN Dinge, die wir geschaffen haben sollen nicht wieder auferstehen aus diesen Ruinen, das Höher, sein Cousin Schneller und deren Kumpel Weiter und die verwandte dritten Grades Um jeden Preis.
Die guten Errungenschaften mögen wir erhalten und pflegen und ausbauen. Eventuell sogar die Menschlichkeit, Fürsorge und Rücksicht, die neben egoistischen Idiotenauftritten in Supermärkten und anderswo gerade auch existiert und so eine Art Renaissance erlebt. Na gut, ein Renaissance-chen. Und wieder zur Sehnsucht und zur Bucket-List: Normalität ist der gesuchte Begriff des derzeitigen Lebenskreuzworträtsels. Oder irre ich mich da? Normalität ist für viele von uns: Job, Familie, Freizeit, Reisen. Wie kostbar das alles ist, wie wertvoll Selbstverständlichkeit und Freiheit sind.

© thoughtcatalog/unsplash
Das spüre sogar ich hier, an meinem Schreibtisch in meinem winzigen Leben. Wie dankbar ich bin, für alles was hierzulande getan wird, was funktioniert, worum sich gekümmert wird, wer sich alles ein Bein ausreißt, sich sorgt und Kraft, Engagement und Hirnschmalz investiert. Wie gut es mir geht! Ich wünschte, allen ginge es mindestens so gut. Ich habe auch Sehnsucht, nach den Menschen, die gerade nicht in meiner Nähe sein können oder dürfen und mit denen ich so gerne ein tagelanges Fest feiern würde. Wenn alles vorbei ist. Und das Neue beginnen kann.
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Geboren 1968, Sternzeichen Zwilling, Aszendent Löwe.
Eine Tochter, 16 Jahre, das größte Geschenk meines Lebens.
Glücklich getrennt und glücklich wieder liiert.
Werdegang: Schule, Fachabi auf Umwegen, Studium, Weiterbildung im Marketing, diverse Jobs.
Nach einer längeren Krankheit Neuorientierung, Weiterbildung DaF (Deutsch als Fremdsprache). Seit 2010 Dozentin in der Erwachsenenbildung.
Ich wollte immer schon schreiben, irgendwann- es muss so 2009 gewesen sein- habe ich einfach angefangen. Mein Roman „Doppel Axel“ erblickte das Licht der Welt 2016. Ein Adventskalender in 24 Kapiteln (Nikolaus ist futsch) folgte 2018, jetzt erscheint der zweite Teil (Knusperknäuschen Nikoläuschen).
Außerdem gibt es regelmäßig Gedanken zum und aus dem Leben auf meiner Website:
www.sandrawindgesschreibt.de und bei Facebook.
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