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Würde, Freiheit, Emanzipation und Eiscreme
von Uwe Bjorck
Als ich Mitglied beim Bündnis Grundeinkommen wurde, war dies nicht allein, um das bedingungslose Grundeinkommen weiter in die öffentliche Diskussion zu bringen, sondern auch, weil dort in der Satzung steht, dass sich alle Mitglieder dem Ideal des freien und emanzipierten Menschen verpflichtet fühlen. Und selbstverständlich auch der Wille, den Menschen ihre Würde zurückzugeben.
Aber was ist nun überhaupt diese Würde? Und was bedeutet Emanzipation und Freiheit? Und vor allem: Was hat Eiscreme damit zu tun?

© vitalysacred/unsplash
Ich fange einmal mit der Würde an. Und ich weiß genau, dass schon seit über 2000 Jahren darüber philosophiert wird, als Aristoteles noch zwischen vernunftbegabten Menschen und Sklaven unterschied. Viele werden jetzt über soviel Chauvinismus und Arroganz den Kopf schütteln. Aber sind wir heute so weit entfernt von diesen Gedanken.
Noch immer werfen die Menschen, denen es gut geht, bedürftigen Menschen unvernünftiges Handeln vor. Egal, ob es sich um Krankheiten, finanzielle Nöte oder sogar niedrigere Bildungsabschlüsse handelt, immer steht der Vorwurf der Unvernunft im Raum. Hättest du nicht dies, hättest du nicht jenes tun sollen?, fragen die Verwöhnten die Notleidenden. Und dann geben sie ungebetene Ratschläge und sagen insgeheim: Selbst Schuld. Amtlich wird heute dieser Vorwurf der Unvernunft durch Formulare wie die Wiedereingliederungsvereinbarung.
Und doch steht in unserem Grundgesetz nicht nur, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, sondern auch, dass der Staat alles tun muss, diese Unantastbarkeit zu schützen.
Wir sehen aber, dass es sehr viel leichter ist, darüber zu reden, was Würde nicht ist, als darüber, was Würde eigentlich bedeutet.
Ich selbst mache es mir da einfach und beziehe mich auf unser Grundgesetz. Wenn die Würde unantastbar ist, gilt für mich im Umkehrschluss, kann alles, was mich in meinem Inneren antastet, eine Verletzung meiner Würde sein. Wir haben alle einen Punkt, an dem etwas für uns übergriffig wird. Dieser Punkt ist bestimmt durch unsere Erfahrungen, Erlebnisse und zu einem anderen Teil wohl auch genetisch in uns abgelegt. Er ist also etwas sehr Intimes. Dieser Punkt, an dem die eigene Würde angegriffen wird, geht keinen anderen Menschen etwas an. Ein Nein bedeutet auch hier Nein und nicht die Aufforderung zur Diskussion und Relativierung. Ein armer Mensch besitzt eben soviel Würde, wie ein reicher. Und ein reicher Mensch keinen Deut weniger als ein armer. Auch hier darf nicht relativiert werden. Auch das wäre ein Angriff auf die Würde.
Wenn dieser Punkt der Würdeverletzung bedingt ist durch unsere Erfahrungen und Erlebnisse, dann müssen wir die Würde als langen und noch längst nicht abgeschlossenen Prozess betrachten. Ein Prozess, dessen Schutz oberstes Gebot des Staates ist.
Ernest Hemingway sagte einmal: „Die Würde, die in der Bewegung eines Eisberges liegt, beruht darauf, dass nur ein Achtel von ihm über dem Wasser ist.“
Ich denke, dieses Bild veranschaulicht diesen Prozess, diese Bewegung, sehr gut.

© jeremybishop/unsplash
Wie können wir aber den Prozess unsere Würde zu erfahren durchleben, wenn unsere Erlebnisse und Erfahrungen uns dazu zwingen, eigene Entschlüsse danach auszurichten, welche materiellen Vorteile sie uns bringen. Oder genauer: Wie können wir im Schutz unserer Würde Entscheidungen davon abhängig machen, ob wir uns am nächsten Tag noch ein Mittagessen leisten können. Hier unterscheiden sich arm und reich. Reiche müssen nicht aus einer materiellen Not heraus Entscheidungen treffen. Sie haben das Privileg, in größeren Zusammenhängen und auf eine weitere Zukunft hinaus zu denken, als bis zum nächsten Frühstück.
Doch wer gezwungen ist, nur so kurzfristig denken und planen zu können, kann kein Souverän des Staates sein. Wer nicht zu den Souveränen gehört, hat nicht viele Möglichkeiten zur politischen Mitbestimmung. Erst müssen wir alle gleichgestellt sein in unserer freien Entscheidungsfindung. Ohne Emanzipation keine Freiheit, ohne Freiheit keine Emanzipation. Und ohne beidem, wird die Würde geopfert.
Welche Entscheidungen werden aus der Unfreiheit, der Not und einer fehlenden Selbstbestimmtheit getroffen? Meistens die, die als vernünftig gelten. Und als vernünftig gilt dann immer, was den Staat, der seine Bürger und Bürgerinnen versorgen soll, zu einem wirtschaftlich sicheren macht. Die neuen Ideale heißen Rationalität und Pragmatismus. Dieses Ideal führt uns in ein staatliches und gesellschaftliches Lean-Management. Es soll reichen, dass jeder Mensch nur noch seinen eigenen Fachbereich kennt. Niemand soll mehr wissen, als das, was er für sein tägliches Leben – der arme Mensch für sein Überleben – begreifen muss. Grautöne verschwinden, wie das strukturell gewachsene mittlere Management in den Betrieben. Nur noch das zu wissen, was man braucht und was den nächsten Tag rettet, wird als vernünftig angesehen. Für arme Menschen wird diese falsche Vernunft überlebenswichtig. Sie ist ein Zwang und wird so auch in den Arbeitsagenturen eingefordert.
Wenn wohlhabende Menschen die Souveränität haben, ihren Konsum ökologisch auszurichten, können arme Menschen dies bestenfalls rational tun und gelten noch einmal mehr als unvernünftige Konsumenten.
Das Zitat: „Alles, was du besitzt, besitzt irgendwann dich“, klingt in den Ohren armer Menschen wie Hohn.
Wir verehren Rationalismus und Pragmatismus. Doch vernünftig ist das nicht. Noch weniger Vernunft ist dort zu finden, wo Menschen gezwungen sind, rational und pragmatisch zu handeln, ohne der Unvernunft, der Unsachlichkeit und Intuition genügend Raum zu lassen. Denn nur in diesem Wechselspiel, nur in dieser Dualität, lässt sich der Prozess der Würde leben.
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Fast alle von uns kennen die Simpsons. Und wer die Simpsons kennt, dem ist auch Montgomery „Monty“ Burns nicht unbekannt. Dieser 104 Jahre alte geldgierige, machtbesessene und von Bosheit durchdrungene Milliardär, der sein eigenes Atomkraftwerk besitzt, Sklaverei unterstützt und mehrere tausend Tiere monatlich für seine eigene Garderobe abschlachten lässt oder dies zum Sport vom bequemen Sessel aus selbst tut. Ein wenig sympathischer Zeitgenosse, dieser Monty Burns.
Mr. Burns leidet unter Süchten. Eine Sucht ist die nach Repräsentation. Obwohl ihn niemand liebt und auch wirklich nicht lieben kann, ist er trotzdem auf der Suche nach Glück. Doch diese Suche hat er so rationalisiert, dass er die Fähigkeit zur Wertschätzung des Augenblicks verloren hat zugunsten einer Methode das Glück zu finden.
Diese Methode besteht darin, dass er über die augenblicklichen Objekte hinweg auf das Glück blickt, das diese Objekte erst bringen werden. Selbstverständlich hat diese Methode nie funktioniert.
Doch die Menschen, die sich wirklich glücklich nennen, haben dieses Glück oder den Weg zum Glück nicht angestrebt. Sie sind nicht durch bewusste Handlungen, durch Rationalität und Pragmatismus glücklich. Sie sind es einfach. Glück ist kein Nebeneffekt.
Das es nicht ganz unmöglich ist, dass auch Monty Burns Glück empfindet, sieht man in einer Folge der Simpsons. Bei dem regionalen „Tu-Wonach-Dir-Ist“-Fest, probiert Mr. Burns Eiscreme. Zu seinem Faktotum Smithers sagt er dabei: „Ich fühle mich heute ganz als Freigeist und genieße in vollen Zügen meine Eiscreme“. Und da sehen wir die Saat des Glücks auch in Monty Burns aufgehen.

© alnbal/unsplash
Seine methodisierte Suche nach Glück wird dies verhindern. Denn hier würde die Methode enden. Sein Weg wäre zu Ende.
Und so darf es auch keine Methodik der Würde als Prozess geben. Keine Methodik der Freiheit und auch keine Methodik der Emanzipation. Würde, Freiheit und Emanzipation müssen lediglich zugelassen werden. Wir sind unser eigenes Experiment und wollen es auch sein.

www.buendnis-grundeinkommen.de
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