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Wege raus aus der digitalen Stressfalle - Karoline Mohren im Interview


Wir sind überall online. Aber nirgends wirklich da. Als die ersten Handys aufkamen, sollten sie uns Freiheit schenken. Heute bestimmen sie einen Großteil unseres Lebens. Ja, Smartphones sind unglaublich praktisch. Doch sie kosten uns auch unglaublich viel Zeit. Zeit, die uns fehlt für die wirklich wichtigen Menschen und Dinge im Leben: für uns selbst, für Freunde und Familie, für unsere Interessen und Leidenschaften.

"Erobere dir deine Freiheit zurück!", lautet das Credo von Karoline Mohren. Und zwar ohne ganz auf Smartphone, Streaming oder Social Media zu verzichten. In ihrem Buch "ICH BIN DANN MAL ANALOG“ zeigt uns die Autorin Wege raus aus der digitalen Stressfalle, hin zu einem neuen Lebensgefühl.

Karoline Mohrens Digital-Detox-Journal ist eine Einladung ins echte Leben jenseits des Displays. Und auch im nachfolgenden Interview mit der freiberuflichen Journalistin dreht sich alles um digitalen Kosum und die damit verbundenen Herausforderungen.


Wege raus aus der digitalen Stressfalle - Karoline Mohren im Interview
© Katrin Friedl
Karoline Mohren im Interview mit Annette Maria Böhm



LEBE-LIEBE-LACHE: Woran erkennt man eigentlich eine digitale Sucht?

KAROLINE MOHREN: Eine Sucht erkennen wir meines Wissens daran, dass wir unser Verhalten nicht kontrollieren können und einen Drang oder gar Zwang empfinden, etwas zu tun oder zu konsumieren. Dabei vergessen wir dann oft die Zeit und brauchen mit der Zeit auch immer mehr „Stoff“, um kurzfristig Befriedigung zu empfinden. Meist ignorieren wir auch die schädlichen Folgen unseres Handels und reagieren auf Entzug mit starkem Stress.

Wenn wir also partout nicht die Finger vom Smartphone lassen können, es ständig checken, das Gefühl haben, nicht mehr aufhören zu können, obwohl wir es eigentlich wollen, und Panik bekommen, wenn wir es zuhause vergessen haben, würde ich von einer Art Handysucht sprechen. Allerdings sind sich Wissenschaftler uneins, ob es so etwas wie eine digitale Sucht wirklich gibt. Meiner Erfahrung nach zeigen Betroffene aber ähnliche Symptome wie bei stoffgebundenen Süchten.



LEBE-LIEBE-LACHE: Wie können Menschen, die ihren Medienkonsum hinterfragen wollen, sich ganz gezielt mit dem eigenen Verhalten auseinandersetzen?

KAROLINE MOHREN: Zunächst sollten wir uns den eigenen digitalen Konsum bewusst machen. Gefühlt sind wir ja gar nicht sooo viel digital unterwegs, objektiv betrachtet sind es aber oft viele Stunden am Tag. Gerade wenn es ums Handy geht, empfehle ich, eine App zu installieren, die die Nutzung des Smartphones protokolliert. Also wie lange wir generell am Handy sind, wie oft wir es entsperren und welche Apps wir wie lange nutzen. Von den Zahlen, die dabei herauskommen, sind viele überrascht oder gar schockiert. Nackte Zahlen helfen uns aber – vor allem, weil wir konkret nachvollziehen können, wie sich unser Konsum entwickelt, wenn wir ihn verändern bzw. reduzieren wollen.

Zeit ist aber nicht der einzige Faktor. Ich finde fast noch wichtiger, dass wir uns beobachten und darüber bewusst werden, was wir gerade tun, warum wir es tun und welche Gefühle wir generell mit dem Handy oder Social Media verbinden. Denn hinter Gewohnheiten stecken ja i.d.R. Bedürfnisse, die wir befriedigen möchten. Vielleicht fühlen wir uns allein und suchen nach sozialem Kontakt. Oder uns ist langweilig und wir sehnen uns nach Action und Abwechslung. Oder wir wollen einfach entspannen und uns berieseln lassen. Wenn wir uns diese Bedürfnisse klar gemacht haben, können wir auch aktiv nach Alternativen suchen, bei denen wir das Handy weglegen können.

Vielleicht verbringen wir aber auch so viel Zeit digital, weil wir nichts verpassen wollen oder denken, dass andere es von uns erwarten. Das hat dann aus meiner Sicht – ich bin keine Psychologin – oft auch etwas mit Selbstwert zu tun und der Fähigkeit, Grenzen zu setzen und Nein sagen zu können.




Ich bin dann mal analog! Einfach abschalten – das Digital-Detox-Journal. Dein Daily Diary – In 66 Tagen zum neuen Ich.
Karoline Mohren (Autor)
Ich bin dann mal analog!
Einfach abschalten – das Digital-Detox-Journal



LEBE-LIEBE-LACHE: Gibt es so etwas wie ein „digitales Burn-out“?

KAROLINE MOHREN: Der Informatikprofessor Dr. Alexander Markowetz hat sein Buch über die Folgen der Digitalisierung so genannt. Nun bin ich keine Wissenschaftlerin oder Ärztin, aber ich denke, dass es ein digitales Burn-out als solches nicht gibt. Aber die Digitalisierung erhöht sicherlich das Burn-out-Risiko. Allein schon weil die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Viele schauen sich auch noch zuhause im Bett ihre Jobmails an. Manche beantworten sie sogar noch und wundern sich dann, wenn sich der Chef, die Kollegen oder die Kunden immer häufiger zu Unzeiten melden.

Auch die ständigen Unterbrechungen durch Benachrichtigungen, E-Mails etc. zwingen uns mehr und mehr zum Multitasking. Dabei beherrscht unser Hirn das nachweislich gar nicht. Der Stresslevel steigt also, wir können uns nicht mehr richtig konzentrieren, machen häufiger Fehler und brauchen länger für unsere Aufgaben. Wenn wir dann am Ende des Tages das Gefühl haben, nichts geschafft zu haben, ist das nicht nur frustrierend, sondern es kann auch den einen oder anderen dazu verleiten, immer mehr zu arbeiten und gar nicht mehr abzuschalten. Und dann ist ein Burn-out nicht mehr fern.


LEBE-LIEBE-LACHE: Welche Möglichkeiten gibt es für Betroffene, mit Stress umzugehen und sich Ausgleich zu gönnen, anstatt sich ins Spiel oder in YouTube-Videos zu flüchten?

KAROLINE MOHREN: Da gibt es natürlich unzählige Möglichkeiten! Abgesehen von der alternativen Bedürfnisbefriedigung, die ich angesprochen habe, ist es gut, Ausgleichs- und Entspannungsrituale bzw. -routinen zu entwickeln, damit wir eine gewisse Regelmäßigkeit etablieren und es nicht bei einmaligen Versuchen bleibt.

Was uns am besten entspannt oder für Ausgleich sorgt, ist natürlich eine individuelle Angelegenheit. Manche können wunderbar beim Sport abschalten, andere meditieren, ich brauche täglich mehrmals Bewegung an der frischen Luft. So habe ich zum Beispiel regelmäßige Offline-Zeiten in meinen Alltag eingebaut, indem ich das Smartphone auf Spaziergängen mit dem Hund zuhause lasse. Dann kann ich mich ohne Ablenkung ganz auf den Hund, die Natur und die Stille einlassen.

In den letzten Jahren habe ich auch das Lesen von Büchern wieder neu für mich entdeckt – auch, weil es keine Tätigkeit ist, die ich „nur mal so nebenbei“ machen kann. Damit trainiere ich meine Aufmerksamkeit. Bei mir gibt es zudem bestimmte handyfreie Räume (Stichwort: Schlafzimmer) oder Anlässe: Das Handy verschwindet zum Beispiel beim Essen oder bei persönlichen Gesprächen aus meinem Sichtfeld. Und berufliche E-Mails und Nachrichten rufe nach Feierabend nicht mehr ab. So habe ich mir tägliche digitale Auszeiten geschaffen, über die ich nicht mal mehr nachdenken muss.



Karoline Mohren

Karoline Mohren:
Wenn Du zu Dir selbst finden willst, solltest Du nicht anderen hinterher laufen.

Karoline Mohren:
Ich habe für meinen Vater eine Einladungskarte zu seinem runden Geburtstag gestaltet.

Karoline Mohren:
Ich habe vorhin mit meinem Hund das Haus bei strahlendem Sonnenschein verlassen. Zwei Minuten später standen wir nach einem Wolkenbruch da wie zwei gegossene Pudel. Zuerst habe ich geschimpft wie ein Rohrspatz – dann musste ich den restlichen Spaziergang über mich selbst lachen.
Karoline Mohren


LEBE-LIEBE-LACHE: Denkt man an den „typischen Internetsüchtigen“, so hat man häufig einen Jugendlichen bzw. jungen Mann vor Augen, der Tag und Nacht am Computer sitzt und spielt. Ist das so?

KAROLINE MOHREN: Da stellen Sie sich wahrscheinlich einen Computer- bzw. Onlinespielsüchtigen vor – ein Thema, mit dem ich mich nicht beschäftige. Und „Internetsucht“ ist für mich ohnehin ein eher schwieriger Begriff, weil unter ihm oft alles Mögliche subsummiert wird: Handysucht, Social-Media-Sucht, Onlinespiele-Sucht usw. Das sind aber zum Teil unterschiedliche Phänomene mit ebenso unterschiedlichen Ursachen.

Die meisten „Internetsucht“-Studien beschäftigen sich mit Kindern und Jugendlichen, weil hier das Gefährdungspotenzial am höchsten eingeschätzt wird. So gibt es zum Beispiel eine DAK-Studie aus 2018, nach der etwa 100.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland von sozialen Netzwerken abhängig sein sollen. Aber ich beobachte, dass es auch sehr viele Erwachsene gibt, die solche Symptome aufzeigen – vielleicht sogar noch deutlicher als Jüngere. Wir dürfen nicht vergessen, dass die jungen Generationen mit der Digitalisierung groß werden und sie für selbstverständlich halten, während die meisten ihrer Eltern noch eine analoge Kindheit hatten. Darum finde ich es umso wichtiger, dass Eltern ihren Kindern einen bewussten Umgang mit digitalen Medien vorleben – auch wenn das nicht einfach ist, weil viele ja selbst von den digitalen Möglichkeiten überfordert sind. Aber wenn Eltern ihren digitalen Konsum selbst null im Griff haben, können sie auch kein glaubwürdiges Vorbild sein.


LEBE-LIEBE-LACHE: Wo können sich Betroffene Unterstützung holen?

KAROLINE MOHREN: Es kommt darauf an, wen Sie damit meinen. Es gibt im Internet für alle Herausforderungen, die mit der Digitalisierung zusammenhängen, Anlaufstellen. Wer sich selbst einen bewussteren Umgang mit digitalen Medien wünscht, kann sich zum Beispiel auf meinem Blog informieren oder mit meinem Buch an seinen digitalen Gewohnheiten arbeiten. Familien empfehle ich beispielsweise einen Mediennutzungsvertrag aufzusetzen, in dem Regeln für den digitalen Konsum festgelegt werden, die dann für alle gelten. Wer sich Sorgen um den Nachwuchs macht, kann sich auf Websites wie unter anderem die der Medienerziehungs-Initiative „Schau hin!“ oder bei Klicksafe informieren. Und wenn es um Computer- oder Onlinespielsucht geht, gibt es zum Beispiel eine Anlaufstelle beim UKE in Hamburg.


LEBE-LIEBE-LACHE: Welche Tipps haben Sie für Angehörige?

KAROLINE MOHREN: Da bin ich wie gesagt keine Expertin. Aber ich denke, wie auch in anderen Lebenslagen werden wir mit Druck, Vorwürfen oder Verboten nichts erreichen. Wichtig ist meiner Ansicht nach, mit Betroffenen im Gespräch zu bleiben, sie und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und echtes Interesse an ihrer Motivation zu zeigen. Wenn wirklich eine Sucht vorliegt, sollten wir uns an jemanden wenden, der sich mit dem Thema auskennt, denn die wenigsten von uns haben die Kompetenz eines Suchtexperten. Helfen können wir aber so oder so nur dann, wenn der Betroffene sich auch helfen lassen will. Daher ist wohl unsere wichtigste Aufgabe, demjenigen das Gefühl zu geben, dass wir ihn auf seinem Weg unterstützen und hinter ihm stehen.



Karoline Mohren Portrait
© Katrin Friedl
1980 in Hessen geboren, verschlug es Karoline Mohren mit Mitte 20 zum kulturwissenschaftlichen Studium nach Lüneburg, von wo aus sie später nach Hamburg pendelte, um ihr Redaktionsvolontariat zu absolvieren. Seit 15 Jahren findet sie nun schon beruflich für sich und andere die passenden Worte und ist heute als freiberufliche (PR-)Journalistin für Magazine, Verlage und Unternehmen tätig.

Nicht auf den Mund gefallen, nimmt ihr kaum jemand die Introvertierte mit hochsensibler Ader ab, doch sie kann und will auch still. Dass sie derzeit wieder auf dem hessischen Land lebt, ist darum kein Zufall: Wie in ihrer analogen Kindheit findet sie hier an der Seite ihrer Hündin die Stille, die sie zum Leben und Arbeiten braucht.

Auszeiten von der permanenten Reizüberflutung sind Teil ihrer Digital-Detox-Strategie, die sie seit Januar 2017 auf ihrem Blog www.karolinemohren.de unter dem Motto „Mein Herz schlägt analog“ mit ihren Lesern teilt und weiterentwickelt. Im Dezember 2018 erschien in Zusammenarbeit mit dem frechverlag das Digital-Detox-Journal „Ich bin dann mal analog!“ – ein Mitmachbuch für alle, die ihre digitalen Gewohnheiten hinterfragen und ändern möchten.



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