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Gratwanderung für hochsensible Menschen: Balance halten zwischen Aktivität und Ruhe



Um auf lange Sicht gesehen Zufriedenheit, Lebensfreude und Gesundheit zu erreichen bzw. zu bewahren, sind hochsensible Menschen aufgerufen, ihre spezielle Bedürfnislage zu registrieren, ernst zu nehmen und ihr ganz praktisch Rechnung zu tragen. Dazu gehört ganz wesentlich: ein Gespür zu entwickeln für das passende Maß an Aktivität und Unter-Menschen-Sein einerseits und das passende Maß an Ruhe und Für-sich-Sein andererseits.

von Ulrike Hensel


Hochsensible Menschen (im Folgenden kurz HSP) sollten in allen Lebensbereichen erkunden, was ihnen wirklich gut tut und was nicht. Oder differenzierter gesagt: wie viel wovon ihnen unter welchen Umständen gut tut. Aus der gewonnenen Einsicht heraus können HSP dann so manches (selbst-)bewusst überdenken und eigenverantwortlich verändern: die Rahmenbedingungen ihres Lebens, die Lebensgewohnheiten, vielleicht den ganzen Lebensentwurf.

Nicht zu viel Rückzug

Obwohl HSP leicht alles zu viel wird und sie meist deutlich eher als Nicht-HSP in den Bereich der Überreizung und Überforderung kommen, brauchen selbstverständlich auch sie Abwechslung (vielen HSP ist sogar schnell langweilig!), das Hinausgehen in die Welt, anregende Erlebnisse, inspirierende Begegnungen, gute Gespräche, nährende Beziehungen, die Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben, die Mitwirkung an Arbeitsprozessen und -projekten alles jedoch in der persönlich bevorzugten Art und Weise, mit den „richtigen“ Leuten, am „richtigen“ Ort und in individuell geeigneter Dosierung. Hierbei handelt es sich nicht um feststehende Größen, sondern um sich in einer gewissen Bandbreite wandelnde Vorlieben und Erfordernisse, die achtsam wahrgenommen und berücksichtigt sein wollen.

Aus Angst vor Übererregung „zur Sicherheit“ ein stark zurückgezogenes Leben zu führen, ist jedenfalls keine empfehlenswerte Strategie; das würde den Aktionsradius unnötig einengen, attraktive Möglichkeiten ungenutzt lassen und auf Kosten von Lebendigkeit und Lebensfreude gehen. Es kann definitiv auch der Ruhe, des Rückzugs und der Abgeschiedenheit zu viel werden.

Menschen AlexVan/pixabay 107
© AlexVan/pixabay


Soziale Bedürfnisse befriedigen

Machen wir uns klar: Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen, auch der hochsensible! Bei noch so viel Freude am Alleinsein, kann sich doch niemand selbst jederzeit vollständig genug sein. In der Erfüllung unserer sozialen Bedürfnisse sind wir alle auf andere Menschen angewiesen. Wir brauchen notwendig Anerkennung, Aufmerksamkeit, Austausch, Geborgenheit, Gemeinschaft, Liebe, Mitgefühl, Nähe, Verbundenheit, Verständnis, Wärme, Wertschätzung, Zugehörigkeit – und finden das in der Familie, in der Partnerschaft, in Freundschaften, bei gemeinschaftlichen Freizeitaktivitäten, im Arbeitsumfeld ...

Man weiß, wie sehr Menschen unter Ausgrenzung und Isolation leiden. Daraus folgt: Selbst die größte Empfindlichkeit darf nicht dazu führen, dass HSP sich in die freiwillige Isolation begeben. Fehlende (gute!) Beziehungen bzw. ein fehlendes Netz sozialer Bindungen stellen ein nicht zu unterschätzendes Problem dar, auch wenn es zunächst gar nicht bewusst sein mag, dass dies eine mögliche Ursache für trübsinnige Stimmungen und Antriebsarmut ist.

Das optimale Aktivationsniveau anstreben


Der amerikanische Psychologe Daniel E. Berlyne (1924–1976) fand heraus, dass Menschen immer danach streben, ein mittleres Niveau an nervlicher Stimulation zu erreichen und zu halten, ein Niveau zwischen Unterforderung und Überforderung. Ein zu niedriges Niveau führt zu Langeweile und Missmut, ein hohes Niveau zu Anspannung und Stress. Ein bestimmtes Maß an Stimulation ist angenehm aktivierend, schafft ein Wohlgefühl und fördert Kreativität. Sowohl Wohlbefinden als auch Tatkraft sind am höchsten auf einem mittleren Aktivationsniveau, das deshalb als „optimales Aktivationsniveau“ bezeichnet wird. Das Verlagen nach einer optimalen Reizschwelle ist ein wichtiger Grundgedanke in der Psychologie: Bei zu wenig Anregung ist es natürlich, nach Abwechslung und Belebung zu suchen, bei zu viel Anregung, sich aus einer Aktivität oder Gesellschaft zurückzuziehen. Die wichtige Erkenntnis ist: Sowohl Unter- als auch Überforderung stellen Fehlbelastungen dar, die im Endeffekt zu ähnlichen Problemen führen: sie verursachen Unzufriedenheit, Frustration, Unlust und ein Absinken der Leistungsfähigkeit. Sich überwiegend im Wohlfühlbereich des optimalen Aktivationsniveaus zu bewegen, kann als wesentlicher Faktor für die psychische und physische Gesundheit angesehen werden.

Eine zentrale Antwort auf die Frage „Wie kann ich gut mit meiner Hochsensibilität umgehen?“ liegt in der Regulation des Stimulationsniveaus. Es ist nicht schlimm, vorübergehend in einen Zustand der Über- oder Unterforderung zu geraten, schlimm wird es nur, wenn es nicht gelingt, beizeiten gegenzusteuern.

Nicht „goldener“ Mittelweg, sondern dynamische Balance

Häufig sind HSP irritiert angesichts grundlegender Ambivalenzen. Sie fragen sich: Will ich nun lieber für mich sein oder mit anderen zusammen? Ist mir denn nun Distanz wichtiger oder Nähe? Will ich mehr an sicherer Routine festhalten oder mich auf Überraschendes einlassen? Suche ich nun Ruhe oder Anregung? Ist mir Beständigkeit wichtiger oder Abwechslung?

Da kann es eine große Erleichterung sein zu verstehen, dass derartige Widersprüchlichkeiten natürlicherweise zum Leben gehören, dass es in keinem Fall um ein Entweder-oder geht, sondern immer um ein Sowohl-als-auch. Jeder Mensch lebt in dem Spannungsverhältnis von verschiedenen Polaritäten, strebt nach Nähe und nach Distanz, nach Beständigkeit und Abwechslung; auf jeder Achse mal mehr nach dem einen, mal mehr nach dem anderen, je nachdem, worin gerade das Defizit besteht. Abhängig von der Persönlichkeit hat der Einzelne zwar seine Präferenzen, braucht aber immer auch etwas vom jeweiligen Gegenpol.

Eine glückende Lebensführung ergibt sich aus einer gelungenen Integration von Nähe und Distanz sowie von Beständigkeit und Abwechslung. Dabei geht es jeweils nicht etwa um das Einpendeln auf einen Mittelwert, den viel zitierten „goldenen Mittelweg“, sondern um eine Ausgewogenheit in Form einer dynamischen Balance. In jeder einzelnen Situation gilt es aufs Neue hinzuspüren, welches Bedürfnis aktuell obenauf liegt und entsprechend flexibel zu (re-)agieren.

Defizite erkennen und ausgleichen

Bei vielen HSP ist ein vernachlässigter Pol die Distanz, die Autonomie, das Alleinsein, die Abgrenzung, die Selbstfürsorge – insbesondere bei denjenigen, die in einer Familie leben und/oder in einem turbulenten Umfeld arbeiten. Aufgrund ihrer nervlichen Übererregbarkeit empfinden viele HSP länger andauerndes Zusammensein mit anderen leicht als überstimulierend. Für Elaine Aron, die Begründerin des Konzepts Hochsensibilität, steht fest: „Die meisten nervenerregenden Reize in unserer Umwelt werden von anderen Menschen verursacht – ob zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit“ (aus Arons Buch Sind Sie hochsensibel?).

Demzufolge sieht für HSP eine stimmige Balance zwischen Mit-jemandem-Zusammensein/Unter-Menschen-Sein und Für-sich-Sein unter Umständen anders aus als für Nicht-HSP, was auch zu entsprechenden Konflikten führen kann. Aber Achtung: Wer mit einem Defizit an Zeit für sich allein lebt, zieht daraus leicht den Fehlschluss, gar nicht für Geselligkeit, enge Bindungen und Zusammenarbeit geschaffen zu sein. Dabei geht es eigentlich nur um das verträgliche Maß an unmittelbarem Zusammensein mit anderen Menschen, um geeignete gemeinsame Unternehmungen, um passende Formen der Beziehungsgestaltung, um einen adäquaten Job und Arbeitsplatz und um eine Reihe hilfreicher Alltagsstrategien.

Ausreichend Beachtung finden sollte die Gegebenheit, dass HSP – auch extravertierte und unternehmungslustige – in aller Regel immer wieder Pausen, Erholungsphasen und Zeiten für sich allein brauchen, um eine nervliche Übererregung wieder abklingen zu lassen, zu sich zu finden und neue Kraft für Aktivitäten und das Zusammensein mit anderen zu schöpfen.



Ulrike Hensel
© Ulrike Hensel
Ulrike Hensel ist freie Lektorin und Textcoach, www.hensel-coaching.de, Coach für Hochsensible, coaching-fuer-hochsensible.de und Autorin.

Ihr neuestes Buch hat den Titel „Hochsensibel das Leben meistern“ und ist als E-Book auf myMONK.de (hochsensibel) erschienen.






Mit viel Feingefühl - Hochsensibilität verstehen und wertschätzen: Einblicke in ein gar nicht so seltenes Phänomen
Ulrike Hensel
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Hochsensibilität verstehen und wertschätzen
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