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Roger Willemsen: "Das Hohe Haus - Ein Jahr im Parlament"


Einer unserer unbestechlichsten, originellsten und sprachakrobatischsten Zeitzeugen hat ein neues Buch auf den Weg gebracht. In "Das Hohe Haus - Ein Jahr im Parlament" beschreibt Roger Willemsen was er im letzten Jahr im Deutschen Bundestag, nicht etwa als Abgeordneter, sondern als ganz normaler Zuhörer auf der Besuchertribüne, erlebt hat. Es ist ein Versuch, wie er noch nicht unternommen wurde: Das gesamte Jahr 2013 verfolgt er in jeder einzelnen Sitzungswoche, kein Thema ist ihm zu abgelegen, keine Stunde zu spät. Er spricht nicht mit Politikern oder Journalisten, sondern macht sich sein Bild aus eigener Anschauung und 50000 Seiten Parlamentsprotokoll.

Als leidenschaftlicher Zeitgenosse und »mündiger Bürger« mit offenem Blick erlebt Roger Willemsen nicht nur die großen Debatten, sondern auch Situationen, die nicht von Kameras erfasst wurden und jedem Klischee widersprechen: effektive Arbeit, geheime Tränen und echte Dramen. Der Bundestag, das Herz unserer Demokratie, funktioniert – aber anders als gedacht.

Roger Willemsen im Lebe-Liebe-Lache Interview mit Annette Maria Böhm



Roger Willemsen - Hohes Haus
© www.roger-willemsen.de
Lebe-Liebe-Lache:
Was haben Sie über Hinterköpfe gelernt im letzten Jahr?

Roger Willemsen:
Die Fontanellen der Abgeordneten sind geschlossen. Die Tonsuren sitzen. Was darunter vorgeht, ist mitunter schleierhaft.

Lebe-Liebe-Lache:
Sie haben einmal über sich gesagt, dass Sie Orte persönlich nehmen würden. Entwickelten Sie möglicherweise nach einiger Zeit, eine gewisse Verbundenheit zum "Hohen Haus" und seinen Menschen?

Roger Willemsen:
In der Tat. Noch heute empfinde ich eine Art „Phantomschmerz“, wenn ich am Bundestag vorbeigehe und denke: was treibt Ihr wohl gerade wieder.

Aber ich denke auch an José, den Saaldiener, die Parlamentsassistenten, die Garderobenfrauen, die nette Parlamentsärztin...

Lebe-Liebe-Lache:
Welche Kompetenzen sollte ein guter Bundestagsredner besitzen?

Roger Willemsen:
Er braucht Sachverstand, er braucht Haltung. Zuerst aber sollten er oder sie sich im Sinne des alten Kommunikationsmodells fragen: Wer ist mein Gegenüber? Welche Sprache benutze ich? Wie will ich verstanden werden? Wozu benutze ich das Privileg öffentlichen Redens?

Lebe-Liebe-Lache:
Hat Sie eigentlich manchmal das Fernweh gepackt, als sie einsam auf den oberen Rängen verweilten und einer langweiligen Rede zuhören mußten?

Roger Willemsen: Und ob. Dazu hat man ja das Reservoir der inneren Bilder: Man sitzt auf der Tribüne des Parlaments, durchquert aber innerlich gerade das Polare Eismeer.

Lebe-Liebe-Lache:
Trägt Sahra Wagenknecht jemals ihr Haar offen?

Roger Willemsen:
Nicht in meiner Gegenwart, aber Situationen sind vorstellbar, in denen es dieses Haar auch geöffnet gibt.

Roger Willemsen
© www.roger-willemsen.de
Lebe-Liebe-Lache:
Bestimmt haben Sie auf der Besuchertribüne des Bundestages auch den ein oder anderen Sitznachbarn näher kennengelernt . Wer sitzt denn da noch so?

Roger Willemsen:
Kaum Journalisten, die sehen sich die Debatten allenfalls im Fernsehen oder über hauseigene Kanäle an. Aber es gab eine nette Kollegin von der dpa, die häufig da war. Man spricht auch mal mit den Sicherheitsbeamten, den Saaldienern, aber eigentlich wollte ich dort gerne so unauffällig wie möglich sitzen und habe keine Kontakte gesucht.

Lebe-Liebe-Lache:
Der Lichteinfall spielt in Ihren Beschreibungen eine nicht unwesentliche Rolle. Die alte lateinische Weisheit "Die Sonne scheint für alle" kommt mir dazu in den Sinn. Mögen Sie uns etwas über die Magie des Lichtes im "Hohen Haus" erzählen?

Roger Willemsen:
Sie haben recht. Das Licht ist manchmal von Shakespeare’scher Raffinesse. Da steht Ursula von der Leyen wegen der Frauenquote am Pranger und ein Lichtstrahl aus der Kuppel isoliert sie ganz allein. Da erleidet eine Abgeordnete einen Schlaganfall, und die Sonne schickt Lichtflecken über den Bundesadler. Da illuminiert ein Lichtstrahl Röslers metallene Gürtelschnalle und wieder mal ist die Beleuchtung raffinierter als die Rhetorik.

Lebe-Liebe-Lache:
Gregor Gysi erhebt sich wohl immer mit der Geste des Jacke- Zuknöpfens. Welche Angewohnheiten sind Ihnen bei anderen Abgeordneten aufgefallen?

Roger Willemsen:
Das kämpferische Wasserglas-Ergreifen bei Sahra Wagenknecht, das isolierte, abschiedhafte Sitzen und Betrachten des Franz Müntefering, die Handy-Manie der Kanzlerin, das Rumpeln und Randalieren bei Volker Kauder, sogar heimliches Händchenhalten habe ich beobachtet, aber das bleibt bei mir.

Lebe-Liebe-Lache:
Braucht unsere Politik mehr Mitgefühl?

Roger Willemsen:
Das klingt betulich, aber in der Tat wird über Armut geredet, und man hat das Gefühl, diese Debatte ist so nur zu führen, weil kein Bild von Armut entsteht. Es fehlt oft die Veranschaulichung dessen, was Entscheidungen bedeuten, etwa solche für Rüstungsexporte.

Lebe-Liebe-Lache:
Welche Menschen sind Ihnen im Bundestag besonders positiv aufgefallen?

Roger Willemsen:
Diana Golze von den Linken, Agnes Brugger von den Grünen, Frauen, die engagiert und sachverständig auftreten, keine Eskalation brauchen und sich der Sache verpflichtet fühlen. Das emotionale Zentrum des Parlaments ist Claudia Roth.



Roger Willemsen

Roger Willemsen:
Gott zu Noah: Gehe heraus aus dem Kasten.

Roger Willemsen:
Es war Entsagung. Ich konnte ein Leben dadurch erleichtern, dass ich daraus verschwand.

Roger Willemsen:
Auf unserer Bühne über Annette Schiedeck als Angela Merkel und Jens-Uwe Krause als Anton Hofreiter.
Roger Willemsen - Portrait


Lebe-Liebe-Lache:
Es ist traurig, dass Ihr lieber Freund Dieter Hildebrandt die Veröffentlichung Ihres neuen Buches nicht mehr erlebt hat. Er hatte Ihr Langzeitprojekt voller Interesse verfolgt, und sich von Ihnen immer wieder auf den neusten Stand bringen lassen. Mögen Sie uns etwas über Ihre besondere Beziehung zu Dieter Hildebrandt erzählen?

Roger Willemsen:
Mit Dieter war ich fast sieben Jahre lang auf den Bühnen unterwegs. Ich hatte keine öffentlichen Komplizen wie ihn und keinen Freund, der das Innenleben eines Tourneealltags so kannte wie er. Wir führten ein unendliches Gespräch, und es vergeht immer noch kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke und auch an all die Pointen, auf die wir nie kommen werden. Sie gingen mit ihm.

Lebe-Liebe-Lache:
Neben Ihrer Präsenz auf der Besuchertribüne im Deutschen Bundestag, haben Sie rund 50 000 Seiten Parlamentsprotokoll gelesen. Das muss man wollen. Ist Ihnen bei den Protokollen etwas Besonderes aufgefallen?

Roger Willemsen:
Man darf öffentlich nur zitieren, was sich in den offiziellen Protokollen befindet, nicht das, was man gehört zu haben meint. Das Schlimmste, das einer Parlamentsrede mitunter passieren kann, ist, dass man mal fragt: Was sagt sie eigentlich? Ich bin ja eigentlich Literaturwissenschaftler, hätte aber nicht gedacht, dass manchmal die Reden allein so entlarvend sein würden unter dem Blick einer genauen Textanalyse.

Lebe-Liebe-Lache:
Ab und zu scheinen im Deutschen Bundestag auch richtig gute Zitate zu fallen. Etwa wenn eine Abgeordnete der Linken Albert Einstein zitiert, der einst sagte: "Die Menschheit muss ihr Denken grundlegend verändern, wenn sie überleben will." Trifft die Abgeordnete damit eigentlich auf offene Ohren?

Roger Willemsen:
Ach nein, da klatschen nicht mal die eigenen Parteifreunde. Überleben ist den Parlamentariern zwar wichtig, noch wichtiger aber ist es, Wahlen zu gewinnen. Insofern bekommt man für Überlegungen, die die Grenzen des Wachstums betreffen, keinen Applaus. Auch wenn die Rede von Matthias Zimmer (CDU), in der es genau darum ging, die beste war, die ich in jenem Jahr hörte. Der Wählerschaft von Mehrkosten und Einschränkungen zu erzählen, das wird nicht honoriert, auch von den eigenen Leuten nicht. Richtig ist es trotzdem.

Roger Willemsen - sitzend
© www.roger-willemsen.de
Roger Willemsen veröffentlichte sein erstes Buch 1984 und arbeitete danach als Dozent, Übersetzer und Korrespondent aus London, ab 1991 auch als Moderator, Regisseur und Produzent fürs Fernsehen.

Er erhielt u. a. den Bayerischen Fernsehpreis und den Adolf-Grimme-Preis in Gold, für seine Bücher den Rinke- und den Julius-Campe-Preis, zuletzt den Prix Pantheon-Sonderpreis.

Willemsen ist Honorarprofessor für Literaturwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin, Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins und steht mit zahlreichen Soloprogrammen auf der Bühne.

 Seine Bestseller ›Deutschlandreise‹, ›Gute Tage‹, ›Afghanische Reise‹, ›Kleine Lichter‹, ›Der Knacks‹, ›Bangkok Noir‹, ›Die Enden der Welt‹ und ›Momentum‹ erschienen im S. Fischer Verlag und im Fischer Taschenbuch Verlag. Sie wurden in viele Sprachen übersetzt.



Buch-cover: Roger Willemsen - Das Hohe Haus
© www.fischerverlage.de
Roger Willemsen
Das Hohe Haus
Ein Jahr im Parlament


Preis € 19,99



Direkt bei www.fischerverlage.de bestellen:
 KLICK >>


Mehr von und über Roger Willemsen finden Sie unter: www.roger-willemsen.de
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