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Tine Wittler: Wer schön sein will, muss reisen


Tine Wittler
ist eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Fernsehen. Denn sie ist unerwartet rund statt genormt schlank – und damit „anders“. Mit diesem „Anderssein“ wird sie ständig konfrontiert, ob sie will oder nicht. Und beschloss deshalb, sich mit dem Thema genauer auseinanderzusetzen:

Warum gibt es überhaupt so etwas wie „Schönheitsideale“? Wie verbindlich sind diese? Weshalb lassen sich gerade Frauen davon so dermaßen unter Druck setzen? Und wie kann man es schaffen, sich von diesem Druck zu befreien und die eigenen Energien sinnvoll zu nutzen? – Im Rahmen ihrer Recherchen entdeckt Tine Wittler auch das unbekannte Wüstenland Mauretanien und beschließt schließlich, dieses Land persönlich zu besuchen und über diese Reise nicht nur ein Buch zu schreiben, sondern auch einen Dokumentarfilm zu produzieren (Regie: René Schöttler).

Tine Wittler / Rene Schoettler
© www.mussreisen.de


Denn in Mauretanien ist alles anders, als wir es kennen: Dort gelten die runden Frauen als die schöneren, die begehrteren, die glücklicheren. Statt Diät zu halten und sich möglichst „dünne“ zu machen, nehmen junge Frauen hier, in einem der ärmsten Länder der Welt, gefährliche Medikamente ein, um an Gewicht zuzulegen. Und auch heute noch werden kleine Mädchen unter Gewaltanwendung regelrecht gemästet. Aber die mauretanischen Frauen sind stark. Und sie widersetzen sich immer öfter jenen Idealen, die ihnen übergestülpt werden sollen.

Tine Wittler im Lebe-Liebe-Lache Interview mit Annette Maria Böhm


Lebe-Liebe-Lache:
Armut, Zwangsmästung,  Zwangsheirat und dazu noch der beginnende arabischer Frühling: Mit welchen Gefühlen bist du nach Mauretanien geflogen?

Tine Wittler:
Mit sehr gemischten Gefühlen. Zum Einen wussten mein Team und ich, dass diese Reise einiges an Risiken bergen wird. Ein bisschen mulmig war uns schon zumute. Auf der anderen Seite war die Vorfreude riesengroß und die Dankbarkeit, nach anderthalb Jahren Vorbereitung endlich losfliegen zu können.


Tine Wittler Flughafen
© www.mussreisen.de/Irina Linke


Lebe-Liebe-Lache:
Wie haben die Mauretanier auf die "blonde Deutsche" in landestypischer Kleidung (Malhafa) reagiert? Mir ist in diesem Zusammenhang  ein Satz des Filmes in deutlicher Erinnerung  geblieben: " Mit der Kleidung tritt man in das Spiel ein"...

Tine Wittler:
Die Mauretanier haben sich in der Regel wahnsinnig gefreut, zu sehen, dass eine Europäerin sich die Mühe macht, das Tragen dieses Gewandes zu erlernen. Es ist nämlich für jemanden, der „unsere“ Kleidung gewohnt ist, gar nicht so leicht! Ich selbst habe etwa zwei, drei Wochen gebraucht, bis ich mich in der Malhafa wirklich sicher bewegen und mich allein ankleiden konnte.

Lebe-Liebe-Lache
:Wie gefährlich sind Medikamente wie "Super Appetite"?

Tine Wittler:
Sehr gefährlich. Bei vielen dieser Medikamente, die die Frauen dort freiwillig einnehmen, um an Gewicht zuzunehmen, handelt es sich um Hormonbomben, die teilweise noch nicht einmal für Menschen gedacht sind, sondern für Tiere – zum Beispiel für die Geflügelmast oder für Kamele. Diese Medikamente haben verheerende Wirkungen auf die Gesundheit der Frauen. Es gibt immer wieder Todesfälle, die im Zusammenhang damit stehen.

Lebe-Liebe-Lache:
In "Wer schön sein will, muss reisen" kam u.a. ein philosophischer Filmemacher zu Wort. Seine Sichtweise des nordwestafrikanischen Schönheitsideals konnte ich nachvollziehen. Da ging es um Aspekte wie "die Schönheit auszufüllen" und darum, während der körperlichen Liebe die Abgrenzung zum eigenen Körper zu erleben. Auch sein "sinnliches Dünenbild" hat mir gut gefallen. Magst du ein wenig über diese Begegnung erzählen?


WER SCHÖN SEIN WILL, MUSS REISEN (Tine Wittler) | Trailer german deutsch [HD] - Film & Animation

Tine Wittler: Die Begegnung mit Abderrahmane war nicht nur für mich ein absoluter Wendepunkt bei den Recherchen - den meisten Zuschauern geht es beim Schauen des Films ebenso. Was Abderrahmane sagt, ist sehr berührend. Denn er bringt die Frage nach der äußeren Schönheit auf einen ganz grundlegenden Punkt zurück, den wir oft vernachlässigen – der aber nicht nur logisch ist, sondern gleichzeitig bei einer ehrlichen Beantwortung auch die persönliche Freiheit ermöglicht: Ist mein Körper wirklich dafür da, damit andere ihn betrachten und als „schön“ empfinden? Oder ist er nicht vielmehr mein ganz persönliches Zuhause, das ich dementsprechend auch genauso annehmen oder gestalten darf, wie er nun einmal ist – oder wie allein ich es bevorzuge?

Lebe-Liebe-Lache:
Wie war das sechsstündige Henna-Ritual für dich? Schafft es wirklich Nähe unter Frauen?

Tine Wittler
Absolut. Das Ritual ist sehr langwierig – über sechs Stunden hat es gedauert, bis beide meiner Hände für ein Fest mit einem aufwändigen Henna-Muster geschmückt waren. Um die Henna-Färbung ranken sich in Mauretanien viele Sprichwörter oder Weisheiten. Man sagt zum Beispiel: Je dunkler das Henna auf den Händen der Braut - am Vortag der Hochzeit aufgebracht – über die Nacht zum Hochzeitstag nachgefärbt hat, desto mehr liebt sie ihren Ehemann.

Lebe-Liebe-Lache:
Du hast in Form eines Selbstversuches an einer überwachten Zwangsmästung teilgenommen. Dabei solltest du während eines Tages 10l Kamelmilch trinken und dazu noch feste Nahrung zu dir nehmen. Was ist dir an dieser grausamen Prozedur besonders deutlich in Erinnerung geblieben?



Tine Wittler

Tine Wittler:
Mein Lebensziel und –motto ist es, immer weiter dazuzulernen. Um zu lernen, bin ich auf der Welt.

Tine Wittler:
Mit meinem Mann in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, um ihm einen Kaffee zu kochen, weil er einen Termin zu fast nachtschlafener Zeit hatte – obwohl ich selbst eigentlich noch hätte liegenbleiben und ausschlafen können.

Tine Wittler:
Gerade eben – über Smöre, unser kleines Kätzchen. Sie ist wie ein Derwisch durch das Haus gejagt und hat sich beim Spielen fast selbst überschlagen. Ihr zuzusehen, macht mich auch an einem harten Arbeitstag zwischendurch immer wieder glücklich.
Tine Wittler


Tine Wittler:
Es handelt sich dabei eindeutig um eine Art der Folter, mit der junge Mädchen gezwungen werden sollen, möglichst früh das runde Schönheitsideal zu erreichen. Die Prozedur ist langwierig, schmerzhaft, und sie geschieht unter großem Druck. Die traditionelle Zwangsmästung gibt es zum Glück nur noch sehr selten in Mauretanien. Dafür aber ist der Missbrauch von Medikamenten leider noch immer sehr präsent.

Lebe-Liebe-Lache:
Wie ist es der „Association Femmes Chefs de Famille“ der Menschenrechtlerin Aminetou Mint El Moktar zwischenzeitlich ergangen? Kann sie gegen die allgegenwärtige Entscheidungsmacht der Männer bestehen?

Tine Wittler:
Aminetou und ihre Organisation kämpfen weiterhin für Menschen-, insbesondere für Frauenrechte. Sie setzen sich vehement gegen die Zwangsmästung und gegen den Medikamentenmissbrauch ein. Dafür nehmen sie das Risiko in Kauf, eigene Nachteile zu erfahren oder gar ihr Leben zu riskieren. Die mauretanischen Frauen sind sehr starke Persönlichkeiten. Und sie tun viel dafür, ihr Leben selbst zu gestalten.

Lebe-Liebe-Lache:
Hat sich unter dem Eindruck der Reiseerlebnisse dein Blick auf unsere Schönheitsideale verändert?


Tine Wittler Wüste
© www.mussreisen.de/Rene Schoettler


Tine Wittler:
Selbstverständlich. Ich habe es vorher schon geahnt, und die Reise hat meine Vermutung bestätigt: So etwas wie ein objektives Schönheit gibt es schlicht nicht! Ein Schönheitsideal wird immer durch Zeit, Raum und die wirtschaftlichen Gegebenheiten definiert. Dies sind relativ willkürliche Faktoren, die mit „Schönheit“ an sich gar nichts zu tun haben – und noch dazu habe ich selbst auf diese Faktoren gar keinen Einfluss. Diese Erkenntnis hilft, ein Schönheitsideal als das zu sehen, was es wirklich ist: Eine ziemlich absurde Angelegenheit. Und nichts, das meine persönliche Lebensweise beeinflussen oder gar meine Freiheit einschränken sollte.

Lebe-Liebe-Lache: Wie hat dich die Reise persönlich verändert?

Tine Wittler:
Sie hat mich sicherlich auf ganz vielen verschiedenen Ebenen verändert, vor allem aber hat sie mich gelehrt, dankbar zu sein. Dafür, dass ich in einem freien Land lebe, in dem für meine Grundbedürfnisse wie Wasser, Nahrung, ein Heim gesorgt ist. Dafür, dass ich hier offen meine Meinung sagen darf. Dafür, dass ich die Freiheit habe, mich für oder gegen etwas entscheiden zu können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Und es ist etwas, das bewahrt und gepflegt werden muss. Dafür setze ich mich seitdem auch aktiv ein. Zum Beispiel mit meiner Bewegung „ReBelles“, die vermehrte Körpervielfalt und –akzeptanz in Medien und Gesellschaft fördern möchte.



Tine Wittler Kopftuch
© www.mussreisen.de/Rene Schoettler
Tine Wittler
, geboren 1973, studierte Kultur- und Kommunikationswissenschaften in Lüneburg und Großbritannien. Sie arbeitete mehrere Jahre als freie und festangestellte Redakteurin für diverse Tageszeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen, bevor sie ab 2003 die Moderation der Sendung „Einsatz in 4 Wänden“ übernahm. Hierfür erhielt sie 2004 den Deutschen Fernsehpreis.

Nach zehn Jahren als Moderatorin und fünf Unterhaltungsromanen kehrt Tine Wittler mit dem Buch- und Filmprojekt „Wer schön sein will, muss reisen“ zu ihren journalistischen Wurzeln zurück. Die Gesamtauflage ihrer Romane, Ratgeber und Hörbücher erreicht bis heute ein halbe Million. Tine Wittler ist seit 2004 auch als Gastronomin (mit ihrer Bar „parallelwelt“) sowie als Modemacherin (mit ihrem Label „kingsizequeens.de) erfolgreich. Sie lebt in Hamburg und arbeitet derzeit an den Songtexten für einen Liederzyklus.


Mehr von und über Tine Wittler finden Sie unter :

http://mussreisen.de
http://www.rebelles.de
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