ANZEIGE
10

Hochsensible und Feiern


Auch Hochsensible haben den Wunsch und das Bedürfnis dazuzugehören und loszulassen. Sie werden aber nur allzu oft und allzu leicht überrollt!

von Jutta Nebel


Hier zeige ich mal, wie sich so was abspielt für jemand wie uns. (für mich)

Ein neuer Versuch


Ich habe mich über die Einladungskarte zur Einweihungsfeier sehr gefreut. Meine Freunde sind in eine andere Stadt gezogen. Ich weiß, dass es anstrengend sein wird, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich ja, wenn es zu viel wird, immer noch gehen kann.

Die Adresse kenne ich noch nicht, kein Problem, der Routenplaner hilft mir...

Der Tag ist gekommen, ich muss für die Fahrt etwa 2 Stunden rechnen. Die Streckenbeschreibung liegt ausgedruckt neben mir auf dem Beifahrersitz. Ich hätte mit Bekannten fahren können, aber ich weiß aus Erfahrung, dass es wichtig ist, frei zu sein. Frei, um zu entscheiden, wann ich gehen will und muss. Wenn es mir zu viel wird!


Die Fahrt läuft ganz gut und ich habe auch relativ unkompliziert den gut ausgeschilderten Stadtteil gefunden. Die Straße finde ich auch. Und anscheinend haben sie schon viele andere gefunden, denn da ist weit und breit kein Parkplatz zu finden. Ich drehe Runden, hoffe, jemand fährt weg, sodass ich seinen Platz einnehmen kann. Einmal habe ich Glück, vor mir fährt jemand weg und ich fahre an der Lücke vorbei, um rückwärts hineinzusetzen. Ich bin zittrig, die Sucherei ist mir schon auf die Nerven gegangen und irgendwie weiß ich garnicht mehr, wo ich bin. Ich setze völlig schief an. Normal ist einparken nicht wirklich ein Thema für mich, aber hinter mir hupt es aufdringlich. Ich verfranse mich total, stehe total schief und muss wieder heraus um nochmal von vorne anzufangen. Als ich wieder ansetze, rückwärts einzuschlagen, gibt der hupende Held Gas und setzt sich vorwärts völlig schief in „meine“ Lücke. Er ragt mit dem Kotflügel ein ganzes Stück in die Fahrbahn hinein, aber das scheint ihn nicht zu stören. Auch nicht, dass er mich ganz unverschämt ausgetrickst hat.

Ich bin sauer, mache mir aber die Sache erträglich, indem ich denke: Okay, da wär´ ich nie richtig reingekommen und ehe mir jemand mein Auto verschrammt...

Aber nassgeschwitzt bin ich trotzdem.

Okay, nächste Runde. Nach längerem Kurven habe ich schließlich und endlich doch noch einen Platz gefunden. Eigentlich bin ich jetzt fällig für die Couch. Am liebsten würde ich den Plan Fete schmeißen und schnurstracks wieder nach Hause brettern. Aber wo ich schon mal da bin!
 
Jetzt hab ich doch ein ganz schönes Stück zu marschieren und frage mich so durch. Hoffentlich finde ich mein Auto jemals wieder! Aber das Laufen tut gut und ich nehme den Duft der fremden Stadt wahr. Es ist ein Viertel mit Altbauten und mit Platanen, die erste Herbstgerüche verbreiten. Ich würde mich am liebsten auf eine der Bänke setzen und die Stimmung genießen. Aber es wird Zeit!

Ich suche und finde die Hausnummer. Ein großes Holztor führt mich in einen Hof. Ich schaue mich um, etwas staubig, etwas verkommen aber irgendwie schön. Es hat Atmosphäre hier. Man spürt die Menschen, die hier wohnen, ich fühle ihr Lebensfeld, kein einzelnes konkretes, sondern eine Mischung aus allen, nicht die Summe der Teile sondern die Gesamtheit. So wie man in einem Kuchen nicht einzeln das Mehl, das Ei, die Butter schmeckt, sondern den ganzen Kuchen.

Meine Seele hat sich inzwischen ein bisschen sortiert und erholt. Die Haustür steht offen und ich brauche nicht zu klingeln. Ich weiß, dass sie oben wohnen, unterm Dach! Ich lasse die tschilpende Spatzenschar, die über den Hof fegt, hinter mir und tauche in den kühlen Hausflur ein. Hier sortieren sich die Lebensfelder. Aus den Türen, an denen ich vorbeigehe, während ich die knarrenden Holztreppen hochsteige, dringen Essensgerüche, Geräusche, Duft von Duschgel, Stille, Katzengeruch.
Je nach dem. Als ich höher komme, rieche ich Zigaretten und höre sich verstärkendes Stimmengemurmel und Musik. Alle diese Eindrücke spielen nun schon auf meinem Stimmungspiano, Dur und Moll im subtilen Wechsel. Das fühlt sich schön an und bewegt mich.
Bevor ich oben klingele, bleibe ich erst nochmal still stehen und schließe die Augen und atme tief durch. Da drin geht es schon rund. Meine Freundin, die ich jetzt schon länger nicht mehr gesehen habe, öffnet. Sie fällt mir um den Hals, ein bisschen zu freudig. Ich schaue sie an, sie hat etwas verweinte Augen und zieht mich gleich in die Garderobenecke. Es geht ihr nicht gut, sie schüttet mir ihr Herz aus, sofern das unter den Augen der anderen unauffällig geht. Ihr geht's danach besser! Mir nicht!
 
Ich habe plötzlich einen Wolfshunger, werde richtig zittrig, aber ich kann ja nicht gleich über die Fleischtöpfe herfallen! (das tut man nicht!) Aber es wäre besser für meine Verfassung!


Stattdessen begrüße ich hier und da ein paar Bekannte und höre mir ein paar Banalitäten (Smalltalk) an, die mich jedes mal und immer wieder aufs neue am Sinn der menschlichen Kommunikation zweifeln lassen: „Auch da?“ „Und selber?“ „Was für ein Wetter!“ „Ja und vor allem so viel davon!“
Ja ich weiß, Smalltalk kann auch anders verlaufen und für philosophische Ergüsse ist nicht überall Raum und Zeit. Alkohol kann philosophische Ergüsse enorm fördern aber ab einem bestimmten Grad ad absurdum führen, was sie dann unter Umständen schon wieder hochinteressant macht.

Aber warum muss man reden, wenn man sich nichts zu sagen hat? Um (peinliche) Stille zu vermeiden? Ist Stille schwerer zu ertragen als Peinlichkeit? Für manche offenbar!

Ich merke, ich bin schon recht genervt. Und die Musik ist mir auch zu laut. Sie verhindert auf Dauer sogar Smalltalk. Eigentlich ein Vorteil. Aber ich merke, ich werde immer zittriger, die Geräusche und Gerüche reizen mich enorm. Ich kann mich nicht einlassen. Es ist alles wie eine schwere Wolke, die sich um mich herum legt. Ich gehe jetzt doch schnurstracks in die Küche, um mir etwas zu essen zu holen. Dort ist es auch ruhiger. Es gibt allerhand Verschiedenes zu Essen, aber ich muss wieder aufpassen, darf nichts Scharfes nehmen, was mich noch mehr reizt und finde einen leckeren nahrhaften Nudelsalat mit Kichererbsen. Der Wolkenumhang lüftet sich ein wenig.
 
Mit Teller und Gabel in der Hand suche ich mir einen etwas ruhigeren Platz und lasse meine Blicke schweifen. Das ist besser als Kino, weil Realität. Ich sehe Fäden zwischen Menschen, höre Dissonanzen, erlebe den verwirrenden Reiz der gegensätzlich ausgesendeten Signale, wenn jemand akustisch hörbar sagt: „Ach komm doch mal her“, aber gestisch und mimisch: „Ach bleib mir bloß weg!“

Ich sehe in einer anderen Ecke meine Freundin von vorhin verhalten heftig mit ihrem Partner diskutieren und empfinde es wie einen Schlag in den Magen. Ich spüre, was zwischen den beiden steht und es verschlägt mir die Luft und den Appetit. Ich versuche mich auszuklinken aus dem Feld, aber es ist zu umfassend, es liegt auf mir wie dicke feuchtigkeitsgesättigte Luft.
Mein Herz beginnt zu rasen, ich darf den Kopf nicht schnell drehen, sonst wird mir schwindelig.

Ich spüre wieder einmal, wie mein Seelenaufzug lautlos und unaufhaltsam nach unten gleitet, in meine tiefsten Keller.

Ich will nur noch nach Hause, egal wie weit der Weg ist und wie anstrengend!

Von nun an agiere ich wie in Trance. Teller wegstellen, den Weg zur Garderobe einschlagen, ohne Abschied gehen... Wie so oft!

Ich habe mich oft gefragt, wann es so weit ist, dass mein Seelenaufzug agiert.
Ich spüre ihn nicht nur, wenn schon „alle Stricke reißen“, wenn ich das 37.mal meine eigenen Grenzen ignoriert und überschritten habe. So wie im obigen Fall. Nein, auch meine Beschreibung von Dur und Moll auf dem Stimmungspiano ist ein Synonym dafür.Es hebt mich subtil an, wenn mir etwas Bewegendes begegnet. Das fühlt sich an, wie ein gut gewarteter Aufzug, der lautlos auf die nächste Etage wechselt, man spürt nur den Hub. Und natürlich die „angehobene“ Stimmung. Wenn etwas mich unangenehm berührt, wird die Etage ebenso sanft gewechselt, eben nach unten. So geht es den ganzen Tag, das fällt mir gar nicht mehr besonders auf. Nur wenn etwas unverhofft Schönes passiert, worüber ich mich besonders freue, rauscht mein Aufzug mit mir ab, nach oben und der Rausch, der all meine Glückshormone auf einmal freisetzt, regelrechte Kaskaden davon, endet, wie jeder Rausch über kurz oder lang - mit einem Kater. Welcome back in den unteren Bereichen! Da hilft dann nur noch der Rückzug, ins eigene Zimmer, in die Natur, Hauptsache alleine sein!




Jutta Nebel
© Jutta Nebel
Jutta Nebel
ist Heilpraktikerin und schreibt für Hochsensible. Durch ihre Einfühlsamkeit und Hochsensitivität, die sie in früheren Jahren als Handicap empfunden hatte, ist sie nun in der Lage, andere Betroffene dabei zu unterstützen, sich selbst zu erkennen und bei sich anzukommen.


In ihren Ratgebern nimmt die Autorin den Leser auf einfühlsame Weise an die Hand und führt ihn in die entsprechende Thematik ein.

Weitere Informationen unter: www.das-wasser-des-lebens.eu


Was ist eigentlich los mit mir?
Warum bin ich so schnell überreizt, überfordert und warum wird mir so schnell alles zu viel?

"Wenn du zu viel fühlst!"
Ein Buch, das den Fragenden an die Hand nimmt und ihm die Welt der Hochsensiblen zeigt. Ein weiterführender Praxisteil zeigt Tipps und Hinweise, wie man mit anstrengenden Situationen umgehen kann. Dazu gibt es auch Informationen zur Ursachenforschung.



Wenn du zu viel fühlst - Wie Hochsensible den Alltag meistern von Jutta Nebel
Jutta Nebel
Wenn du zu viel fühlst
Wie Hochsensible den Alltag meistern


Ich freue mich, wenn ich mit meinem Buch einen Beitrag dazu leisten kann, daß Menschen wie ich, Hochsensible, sich selbst erkennen, selbst finden und dadurch ihr Leben bedeutend besser verstehen und dadurch auch sinnvoller gestalten können.




Direkt bei amazon bestellen:
Direkt bei Amazon bestellen




Magst Du, was wir bei LEBE-LIEBE-LACHE schreiben? Willst Du uns helfen, Menschen zu erreichen, denen das auch gefallen könnte? Wie? Ganz einfach: "teilen". Wir freuen uns sehr über Deine Wertschätzung.
10
ANZEIGE
Weitere Artikel von Jutta Nebel:
Hochsensibilität und Trauma
Hochsensibel (oder) introvertiert?
Sind Hochsensible schwierig?
Hochsensible und Tiere?
16 Fragen für den Jahresrückblick: Jutta Nebel
Hochsensible und Naturverbundenheit
Weitere Artikel:
Was ist Kunsttherapie? „Wenn Worte nicht mehr reichen…“
Planlos glücklich: Warum es okay ist, kein klares Ziel zu haben
Eckhart Tolle - Stille ist deine wahre Natur
ADHS – noch so eine Modekrankheit?
Selbstliebe: Happy Valentine's Day to ME!
Cineplexx-Kopfkino
Hochsensible Wahrnehmungs-Künstler und Vielfühler
Alle Jahre wieder – es soll doch eigentlich besinnlich sein!
Glücklich hochsensibel
NENA INTERVIEW, NENA IM INTERVIEW: "Ich bleibe offen für alles, was das Leben mir anbietet. "
Alles ist möglich - Wie du dich mit deinem Schöpfungspotential verbindest…
Wie man Missverständnisse vermeidet
Mein Sohn, Herr Möll, Notker und ich
Von Null auf Gipfelstürmer
COLD BREW: Ein Supergetränk für heiße Tage!
Lebenstage-Rechner
Geburtstag:
Lebe-Liebe-Lache.com
ANZEIGE

Neueste Artikel:
Unsere TOP Hotel-Empfehlungen
Diese Hotels haben wir für Sie besucht

Nicht verpassen:
Lebe-Liebe-Lache.com
Unsere weiteren Projekte:
www.flowerofchange.de Webguide
Merken
schliessen
Newsletter Anmeldung
Regelmäßig tolle Tipps, die neuesten Artikel und viele Mind- und Lifestyle-Impulse
Ihre E-Mail:
Spam-Check:
Fenster nicht mehr zeigen